Vigener - Erzbischofsregesten (1354-1374)

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Vigener, RggEbMz Nr. 0708

Datierung: 1356

Quelle

Aussteller:

Archiv: Vigener, Regesten

Weitere Überlieferung:

  • Vigener, Regesten mit Verweis auf: Kop. (15. Jh.): Bodmann-Habelsches Archiv I 33 f. 74v-77.

Geographische Bezüge:

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Inhalt

Kopfregest:

Erzbischof Gerlach gibt allen Äbten, Prioren, Pröpsten, Dekanen, Archidiakonen, Erzpriestern, Plebanen, Vizeplebane und anderen Rektoren von Kirchen und Kapellen in Stadt und Diözese Anweisungen zu einer Gerichtsordnung.

Vollregest:

Erzbischof Gerlach an alle Äbte, Prioren, Pröpste, Dekane, Archidiakonen, Erzpriester, Plebane, Vizeplebane und anderen Rektoren von Kirchen und Kapellen in Stadt und Diözese Mainz:

1. Um die Schädigung seiner Untertanen durch ungerechte richterliche Handlungen zu verhüten, ermahnt er alle Richter zur Pflichterfüllung; bei Vermeidung der gesetzlichen Strafe und seiner Ungnade soll sich keiner durch Hass, Liebe oder Lohn in seinem Urteil bestimmen lassen noch einen Zwischenspruch oder Endurteile (sentencias interlocutas vel diffinitivas) durch andere fällen lassen, es seien denn nach Recht bestellte Vertreter (delegati).

2. Der Kläger darf, bevor er seine Sache vor den Richter gebracht hat, in keinem Falle einen Advokaten oder Prokurator heranziehen, vielmehr erst dann, wenn der Beklagte die Klagebehauptung nicht zugeben will (intencionem confiteri noluerit) und eine Klageschrift fordert. Advokaten und Prokuratoren müssen sich zufrieden geben, wenn sie zu Beginn der Verhandlung nur die Hälfte der ihnen nach Urteil des Richters zu bemessenden Besoldung von dem Kläger bekommen; erst wenn die aufhebende Einrede gegen den Anspruch des Klägers (excepciones peremptorie) und die Entgegnungen darauf vorgebracht sind, können sie, da dann für gewöhnlich der Hauptteil der Arbeit geleistet ist, auch den Rest des Geldes verlangen. Wenn sie über die vom Richter bemessene Summe hinaus etwas fordern, so darf ihnen keine richterliche Zahlungsverurteilung [des Klägers] (condempnacio) zugesprochen werden. Nach Verlegung der Klageschrift kann der Beklagte in gleicher Weise Advokaten und Prokuratoren anstellen (conducere) und sich mit ihnen in angemessener Weise einigen (racionabiliter convenire). Was eine der Parteien hiergegen verbringt, soll kostenlos vorgebracht sein und nicht in das Kostenurteil kommen. Wenn der Angeklagte irgendwelche aufschiebende oder gerichtsablehnende Einreden auf dem ihm dafür angesetzten Termin nicht vorbringt, so soll er (auf welche Laienfreiheiten er sich auch berufen mag) weiter nicht gehört werden, damit die Parteien nicht nutzloserweise Mühen und Kosten haben.[a]

3. Damit sein Gericht mit größter Gerechtigkeit (equalitas) vorgehe, bestimmt der Erzbischof, dass alle Notare seines Stuhles einen gemeinsamen Wohnraum (habitacionem et locuin) mieten und hier alle Gerichtsakten aus dem dort unter ihrer Aufsicht aufgestellten Register persönlich ausschreiben, damit kein Übelwollender etwas aus dem Register zum Schaden einer Partei ausziehe. Sie sollen das schreiben gegen die herkömmliche Bezahlung, unter Vermeidung ungebührlicher Forderungen. Wenn ein Notar durch Krankheit oder andere Gründe verhindert ist, die gemeinsame Arbeitsstätte zu besuchen, so können die erzb. Richter ihn von der Verpflichtung, nur dort Abschriften von dem Register zu machen, für bestimmte Zeit entbinden. Wenn aber sonst ein Notar gegen diese Bestimmung verstößt, so verliert er seinen Anteil an dem Lohn (porcio) und seine Abschriften werden vom erzb. Siegelträger nicht besiegelt; wer nach Verlauf von 14 Tagen nach der Veröffentlichung [dieses Erlasses] nicht die Vorschrift befolgt und regelmäßig in jener gemeinsamen Stätte arbeitet, ist der Exkommunikation verfallen.

4. Die ungebührlichen Forderungen der Prokuratoren, ihre schlimmen Finten (adinvenciones) und ihre verwirrend große Menge haben bislang soviel Unheil angerichtet, dass die Wirksamkeit der Prokuratoren bei Gott und der Welt mit Recht verhasst ist. Darum bestimmt der Erzbischof, dass im Gebiete der Stadt Mainz und in jedem Landkapitel (sedes) der einzelnen Propsteien seiner Diözese nur je zwei Prokuratoren zugelassen werden, die in den ihnen angewiesenen Plätzen wohnen und den größeren Teil der Arbeit auf sich nehmen müssen, um in jeder Sache den Untertanen des betreffenden Landkapitels in ihrer Unbehilflichkeit beistehen zu können und damit diese für Klagen und Verteidigungen sich an sie wenden und sich durch sie vertreten lassen können.[a] Die auf diese Weise in der bestimmten Zahl zugelassenen Prokuratoren können ohne Unterschied ihr Amt frei ausüben, müssen aber schwören, den Gerichten des erzb. Stuhles und der Propsteien getreu zu sein und an der Aufrechterhaltung des guten Standes der Gerichte mitzuarbeiten. Kein Prokurator darf Gerichtsakten schreiben, ausgenommen Vorladungen. Diese kann er selbst schreiben oder durch ihm bekannte Leute schreiben lassen; als Entgelt darf er höchstens sechs neue Heller fordern. Der Prokurator, der nicht an dem ihm zugewiesenen Orte wohnt, wird ohne weiteres seines Amtes entsetzt und außerdem, da er so seinen Eid gebrochen hat, durch die erzb. Beamten mit Einwilligung der ordinarii bestraft, falls hinsichtlich der gerichtlichen Geschäfte irgend etwas verfehlt oder versäumt worden ist.

5. Wenn ein Prokurator von Leuten, die zur Erwirkung von Vorladungen oder um sich Rats zu erholen ihn angehen, etwas fordert oder nimmt, gleich als ob er ihnen in dem künftigen Prozesse Rechtsbeistand leisten (assistere) wolle, so ist er zur Rückgabe verpflichtet und wird für ein Vierteljahr durch die erzb. Richter seines Amtes entsetzt. Bei gleicher Strafe verbietet er, dass die Prokuratoren vor Überreichung der Anklageschrift (vgl. § 1), wenn sie sich mit ihren Schreibern (clericuli) an das Gericht wenden (judicium respiciunt), mehr als 3 alte Heller nehmen; mit dieser Zahlung für jede Gerichtsverhandlung (in quolibet actu judiciali et actibus singulis) sollen sie sich begnügen. Auch sollen sie als Lohn für die Bringer der Briefe nicht mehr nehmen als 6 neue Heller für die Meile (leucia vel miliari). Sie sollen sich zuverlässige Briefträger auswählen und die Briefe mit ihren Zeichen versehen, um Fälschungen (falsitates seu malicias) der Träger leicht feststellen zu können.

6. Die Prokuratoren und andere Leute dürfen keine Klageschriften (libellos seu articulos que fundamenta causarum esse videntur) abfassen, müssen sich vielmehr für deren Abfassung an die approbierten Advokaten des Mainzer Stuhles wenden; anders hergestellte und nicht durch die Zeichen der Advokaten bezeichnete Klageschriften sollen vor Gericht nicht zugelassen werden. Prokuratoren, die, wie es der Erzbischof häufig bemerkt hat, die Vertretung (procuratio) beider Parteien auf sich nehmen oder in Abwesenheit des Richters eine Vertagung (prorogacio) oder in anderer Weise eine nutzlose Verschiebung der Sache in der Hoffnung auf Ausgleich (composicio) mit ausgeklügelten oder unerlaubten Mitteln (excogitato vel illicito colore) erwirken, sind eo ipso ihres Amtes entsetzt.

7. Er befiehlt allen Prälaten, Erzpriestern und Kämmerern, dass sie, wenn ihnen verdächtige Briefe des erzbischöflichen Stuhles oder anderer Richter vorgelegt werden, diese Briefe und deren Bringer[c] in seinem Namen zurückhalten (wenn nötig, mit Hilfe der weltlichen Gewalt), bis sie sich bei ihm oder seinen Offiziaten Verhaltungsmaßregeln geholt haben, und vorher eine Vollziehung[d] solcher Briefe nicht zulassen.

8. In seiner Diözese wissen viele ungebildete Schwätzer und Betrüger solche Leute, die die Gerichte anzugehen beabsichtigen, dahin zu bringen, dass sie ihnen die Sache überlassen, erscheinen aber nicht vor den Richtern oder im Gericht, sondern lassen hier die Sache durch Mittelspersonen vertreten; sie verlangen dann von den Leuten Bezahlung für sich selbst und für die Mittelspersonen und kommen so mit unerträglichen Forderungen. Um diesen Missbrauch aus der Welt zu schaffen, bestimmt der Erzbischof, dass die approbierten Prokuratoren nur in unvermittelter Weise ihr Amt ausüben dürfen und die Vermittler abweisen müssen. Wer von ihnen anders handelt, wird für ein Vierteljahr suspendiert; andere Prokuratoren dürfen ihn in dieser Zeit nicht vertreten, widrigenfalls sie gleicher Strafe verfallen, ihre Handlungen vor Gericht ungültig und sie der Partei gegenüber zum Ersatz der Auslagen verpflichtet sind.

9. Wenn einer in diesen Dingen (occasione premissorum), um sich zu rächen, einen andern und das Gericht verleumdet (alicui et judicio detraxerit), so soll er eo ipso tamquam invidiosus et detracor statutorum salubrium der Exkommunikation verfallen sein.

10. Änderungen oder Erneuerung aller dieser Bestimmungen und Dispensationen behält der Erzbischof sich vor. Bei Vermeidung von Strafe sollen alle Prälaten und alle seine Untergebenen, die von irgend jemand als delegierte oder subdelegierte Richter bestellt werden, diese Verordnungen, insbesondere die über die Prokuratoren befolgen.

11. Für die Notare bestimmt er, unter Androhung der Suspension für Zuwiderhandelnde, folgendes: Wenn sie durch erzb. Richter mit der Verhörung von Zeugen betraut werden, sollen sie diese sorgfältig vornehmen; in besonders mühevollen Fallen muss ihnen, wenn die Richter es befinden, über die übliche Bezahlung hinaus eine besondere Entschädigung von den Parteien gewährt werden. Wenn die Notare Rotuli (rotulas seu rollas) zu schreiben haben, es handle sich um Einwendungen gegen den Kläger (in excepcionibus) oder um Zeugenaussagen, so müssen sie das Pergament von ihrem Lohne bezahlen und es in der Weise beschreiben, dass jede Zeile (linea seu riga) höchstens 50 Buchstaben enthält und jeder Rotulus mindestens 60 Zeilen; für einen solchen Rotulus dürfen sie nicht mehr als 40 neue Heller fordern.

12. Bei Strafe der Suspension oder anderen entsprechenden Strafen verbietet er, dass Advokaten, Prokuratoren und Notare in Appellationssachen doppelte Bezahlung fordern, wie es bisher üblich gewesen ist. Vielmehr sollen sowohl Advokaten und Prokuratoren wie Notare nur nach Maßgabe der oben aufgestellten Bestimmungen (§ 2-4, § 11) bezahlt werden.

13. Wenn ein Advokat eine Sache übernimmt auf Gewinnanteil (pro quota) oder in anderer Weise einer prozessierenden Partei Geld vorstreckt (pecuniam exponere) und sie so zum Prozess anstiftet (invitando), damit er, nachdem der Prozeß gewonnen ist (lite evicta), vor allem die Erfüllung seiner Forderungen (erogata) erhält - aus diesen Gründen kommt es zu manchen unerlaubten Prozessen und die auf Gewinn bedachten Advokaten führen die Prozesse sehr eifrig unter großen Kosten für die andere Partei -, so sollen einem solchen Advokaten, wenn er bepfründeter Kleriker ist, zwei Monate lang die Einkünfte aller seiner Pfründen entzogen und die ihm aus solchem Prozess zustehende Quote soll ihm nicht gegeben werden; hat er [keine] Pfründen, so geht er der Quote verlustig und wird für ein halbes Jahr seines Advokatenamtes enthoben. Ein Prokurator, der solches tut, wird ohne weiteres von dem erzbischöflichen Richter für ein ganzes Jahr suspendiert. Prokuratoren, die an ihren Platz Strohmänner bringen (alios mutuatores ficticie ponant), sind überdies ipso facto der Exkommunikation verfallen.

- D. 1356.

Fußnotenapparat:

[a] Reus eciam quascumque tam dilat[orias] quam declinat[orias] in termino sibi ad hoc prefixo, pro pena, quas si omiserit (Hs.: emiserit), quantacumque libertate laycali gaudere se dicat, ne partes inutiliter graventur laboribus et expensis, de cetero nullatenus audiatur. - Bei der Auslegung dieser Stelle ist mir mein juristischer Kollege Herrn. U. Kantorowicz behilflich gewesen.
[b] ut defectum omnem subditorum sedis, in qua deputati sunt, supplere valeant et ipsi (Hs.: ipsis) subditi super eorum actionibus et defensionibus liberum recursum possint habere et eorum patrocinio se tueri.
[c] Hs.: procur eorum d).
[d] Hs.: excepcionem, wohl verschrieben für execucionem.

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Zitierhinweis:

Vigener, RggEbMz Nr. 0708, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/6994 (Zugriff am 26.04.2024)