Böhmer/Will, Regesten (706-1288)

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BW, RggEbMz 36 Nr. 001a

Datierung: 1259-1284

Quelle

Ohne Aussteller, Empfänger und Empfangsort

Archiv: Böhmer/Will, Regesten

Weitere Überlieferung:

Böhmer/Will, Regesten S.LXVII-LXXV

Inhalt

Kopfregest:

Einleitende Bemerkungen von Böhmer/Will zu Erzbischof Werner

Vollregest:

Die Erwählung Erzbischof Werners erfolgte sehr bald nach dem Ableben seines Vorgängers Gerhard I. Der Beweis hiefür lässt sich aus der Nachricht im Catalogus episc. Mog. (Jaffé, Mon. Mog. 4): »Wernherus archiepiscopus sedit annos 24, menses sex; obiit 1284.« erbringen. Hiernach muss, da Werners Todestag auf den 2. Sept. 1284 fällt, seine Erwählung entweder zu Ende September oder zu Anfang Oktober des Jahres 1259 stattgefunden haben.

Bodmann hinterließ folgende, in den handschriftlichen Collectaneen Habels zu München befindliche Aufzeichnung über das Wahldatum Erzbischof Werners zu Mainz: Erzbischof Gerhard I. starb nach Zeugnis des Domseelenbuchs am 25. September, und am 18. November 1259 war ihm schon Werner nachgefolgt, wie Joannis T. I, pag. 614, N. 5 zeigt und aus der Urkunde des Grafen von Battenburg bei Gudenus T. I, pag. 669 erhellt. Ob dieser aber noch im September oder im Oktober oder im November erwählt worden, war bisher noch ganz unbekannt. Das Rätsel wird durch seine Urkunde vom 10. November 1279 gelöst, und der Monat seiner Wahl bestimmt, der Tag aber sehr nahe angegeben. Denn er bezeugt darin, dass am 10. November 1279 noch das zwanzigste Jahr seiner Regierung lief. ‒ »Datum Pinguie anno Dni MCCLXXIX, IIII. Idus Novembris, Pontificatus nostri anno xx.« ‒ Seine Wahl fällt also zwischen dem 10. und 18. November 1259.

Diese chronologische Untersuchung hat Rossel in: Bär, Gesch. d. Abtei Eberbach II, 131, Note 16 ohne Angabe von Bodmanns Namen abgedruckt und auch ohne zu merken, dass sie auf einer unrichtigen Voraussetzung beruht. Denn Erzbischof Werner zählt sein Pontifikat ordnungsgemäß von seiner Konsekration, wie man dies am unverkennbarsten aus der Angabe »consecrationis nostrae anno primo« der Urkunde von 1261 Februar 2 ersieht, und wie es aus den meisten mit einem Pontifikatsjahr versehenen Datumsangaben hervorgeht. Neuerdings hat nun von der Ropp in seiner Biographie Erzbischof Werners S. 13, Note 3 auf die Urkunde desselben von 1259 Oktbr. 30 hingewiesen, in welcher er sich schon »lectus« nennt. Aus der Urkunde der Gräfin Sophia, wittwe Heinrich's v. Schwarzburg, von 1259 October 25 wird ersichtlich, dass Werner schon an dem zuletzt genannten datum zum Erzbischof erwählt war, weil doch wohl nicht eine Urkunde unter einem Datum, das mit der Vakanz des Mainzer Stuhls zusammenfiel, an den »Erzbischof von Mainz« hätte gerichtet werden können. (Dilectis ac reverendis dominis suis Maguncie archiepiscopo, abbati Fuldensi et Hersfeldensi etc.) Aus der geringen Zahl von Urkunden Erzbischof Werners, welche eine Angabe des Pontifikatsjahrs enthalten, weisen neben der genannten von 1261 Febr. 2 noch fünf andere deutlich darauf hin, dass die berechnung des Pontifikats ihren Anfang nicht von der Erwählung im Oktober 1259, sondern von der Weihe nahm. So: 1262 März 2 mit Pontifikat 2; 1267 April 12 mit Pontif. 7; 1279 Novbr. 10 mit Pontif. 20; 1282 Dezbr. 17 mit Pontif. 17; 1284 März 8 mit Pontif. 24. Nur die drei Urkunden des Jahres 1276 Juni 27, Juli 17 und Septbr. 3 stimmen durch die Angabe des Pontifikatsjahrs 17 zu dem jahr der wahl 1259, und ebenso weisen auf dasselbe die beiden urkunden von 1282 Jan. 9 und Septbr. 16 hin. Es scheint also die erzbischöfliche Kanzlei in den beiden zuletzt genannten Jahren etwas ungenau in ihrer Berechnung gewesen zu sein, und zwar ganz besonders im Jahr 1282, da die Angabe Pontifikat 23 in den Urkunden von Januar 9 und September 16 auf das Jahr 1259, d. i. die Zeit der Erwählung des Erzbischofs, als Anfang der Berechnung hinweist, in der Urkunde vom Dezember 17 aber die Zeit der Weihe als Anfangstermin des Pontifikats angenommen wird, weil ja die Rechnung von Oktober 1259 an im Dezember 1282 das Pontifikat 24 erfordern würde.

Über die Vorgänge bei der Wahl Werners sind keine Nachrichten vorhanden und dürfte dieselbe einen ganz geregelten Verlauf genommen haben. Denn einmal gehörte ja der Wahlkandidat einem Geschlecht an, aus welchem schon zwei Söhne während der ganzen ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts den Mainzer erzbischöflichen Krummstab mit Auszeichnung geführt hatten, und zahlreich waren die Vettern unseres Eppensteiners (hierüber gleich mehr); zum andern erfreute sich Werner als Besitzer mehrerer hoher geistlicher Würden eines persönlichen Ansehens, wie kaum ein anderer unter dem Mainzer Klerus, und endlich war er mit vielen Eigenschaften des Geistes und Characters, ausgerüstet, welche ihn zu der gewaltigen Stellung des kirchlichen Metropoliten und angesehensten Reichsfürsten Deutschlands befähigten. Es hieße daher einerseits die Persönlichkeit und die soziale Stellung unseres Sprösslings einer mächtigen Dynastenfamilie, andererseits auch die weittragende Bedeutung der Wahl eines Mainzer Erzbischofs misskennen, wollte man dieselbe von kleinlichen Gefälligkeitsrücksichten abhängig machen, wie es neuerdings von der Ropp in seiner Geschichte Erzbischof Werners S. 11 und 12 versucht hat. Der genannte Historiker spricht nämlich die Überzeugung aus, dass Werner durch kluge Nachgiebigkeit bei der in den fünfziger Jahren sich vollziehenden Auflösung des gemeinsamen Lebens der Domkanoniker die Erkenntlichkeit derselben gewonnen habe, »die ihm denn auch bei der vorzunehmenden wahl eines Erzbischofs zustatten kam und zur Erlangung dieser Würde verhalf«.

Zur Zeit der Erhebung Werners auf den erzbischöflichen Stuhl von Mainz stand derselbe wohl in der Blüte des Lebens. Denn nicht viel länger als ein Dezennium vor jenem wichtigen Moment sehen wir ihn noch in der Stellung eines Domcantors (siehe unten), die er gewiss sehr frühzeitig erlangte. Wenn er daher in einer Urkunde von 1268 Nov. 28 sagt: .. »nos nostra ecclesia Moguntina a primis quasi cunabulis enutrivit, et circa dies nostros extremos pontificali honore et gracia sublimavit.« (Gudenus, C. d. I, 724), so darf man wohl nicht zur Annahme versucht sein, dass Werner erst in »alten Tagen« mit der erzbischöflichen Inful geschmückt worden sei. Denn sein beinahe ein Vierteljahrhundert ausfüllendes Pontifikat verrät stets die volle Manneskraft dessen, welcher es führte, und da wir einige in seinem Todesjahr und selbst an seinem Todestag in Aschaffenburg ausgestellte Urkunden besitzen, so scheint sein Ende unerwartet und in keineswegs hohem Alter eingetreten sein.

Die bischöfliche Weihe empfing Werner zu Rom (s. Regest nr 28 c. October‒November) durch die Hand Papst Alexanders IV:; an welchem Tag aber dies geschah, ist nicht überliefert worden. Nur soviel steht fest, dass Werner am 3. September 1260 noch selbst als »electus« urkundet, dass er am 8. Septbr. desselben Jahres vom Mainzer Domkapitel ebenso bezeichnet, und endlich am 6. Oct. 1260 auch von dem Papst »electus« genannt wird. (S. unten nr 23 und 26.) Am 17. November nennt ihn der Papst jedoch nicht mehr »electus« (S. unten nr 29). Wie schon erwähnt, fügt Werner zur Datumsangabe seiner Urkunde von 1261 Febr. 2 ausdrücklich hinzu: »consecrationis nostrae anno primo.«
Wenn der Weihbischof Theodorich von Wirland in den Urkunden von 1260 Febr. 3 und vom Monat März, sowie Eppert, Schreiber Richards von Hanau, in der Urkunde von 1260 August 29 unseren Werner bereits als »archiepiscopus« bezeichnen, so sind dies Ungenauigkeiten, denen keine Bedeutung beizumessen ist.

Aus mehrfachen urkundlichen Zeugnissen ergibt sich die unbedingte Gewissheit, dass Werner dem hochangesehenen Geschlecht der Dynasten von Eppstein angehörte (s. unten Tafel III), wie er selbst sein verwandtschaftliches Verhältniss zu vielen Gliedern dieser Familie in Urkunden darlegt. So führt er in der Urkunde von 1260 September seinen Oheim Gottfried III. und seinen Neffen Gerhard auf. In der Urkunde von 1261 Dezember 25 nennt Gottfried II mit mehreren andern vettern den Erzbischof »consanguineus«. Ebenso wird sein Oheim Gottfried III. und mit ihm dessen Sohn Gottfried IV. in der Urkunde von 1278 März 17 erwähnt. In der gleichen Urkunde nennt Werner auch seinen Bruder Gerhard und dessen hinterlassene Tochter Elisabeth. In der Urkunde von 1273 Juni 5 erinnert er an Erzbischof Siegfried III. von Mainz, den er »patruus noster« nennt. Diese letztere Verwandschaft hatte schon im Jahr 1245 papst Innocenz IV. in einer Bulle für Erzbischof Siegfried III. betont, in welcher er den Propst Werner von St. Peter zu Mainz als einen Neffen (nepos) des Erzbischofs bezeichnet. Auch begegnen wir in Urkunden Werners häufig Angehörigen vornehmer Familien, welche als »consanguinei« des Erzbischofs aufgeführt werden. So Reinhard von Hanau (1261 Februar 2; 1267 März 13), Diether von Katzenelnbogen (1261 Dezember 25; 1264 Juni 28), Günther und Heinrich von Schwarzburg (1261 Dez. 25; 1275 April 18), Heinrich von Weilnau (1261 Dez. 25; 1278 März 17); den Siegfried von Westerburg (Erzb. von Köln) nennt Werner »consanguineus« (1273 Mai 21) und im Chron. Sampetr. in: Geschichtsquellen der Provinz Sachsen. I, 108 heißt es: » ... cui successit Sifridus dictus Runchel, [von Westerburg] prepositus maioris ecclesie in Maguncia, consanguineus videlicet domini archiepiscopi Mogontini«; endlich erscheinen Emicho Graf von Leiningen (1259 October 30), Werner V. von Bolanden [imper. aulae Camerarius], 1261 Dez. 25), Philipp von Falkenstein (1260 Januar 5) und Werner von Falkenstein (1278 März 17) als »consanguinei« unseres Erzbischofs. Die letztere Verwandtschaft (s. unten Tafel VII.) muss uns vorzugsweise deshalb interessieren, weil sehr viele ältere Historiker, und diesen folgend manche neuere und neueste unseren Erzbischof Werner einen Grafen von Falkenstein nennen, wogegen andere entschieden protestieren. Zu den letzteren gehören schon (Joannis, Rerum Mogunt. I, 613 und 614 und II, 174 und Gudenus, Cod. dipl. I, 679 und 761; ferner der Rheinische Antiquarius. II Abth. XV, 615 und jüngsthin von der Ropp, Erzb. Werner v. Mainz. S. 9, Note 1, welcher sich vorzugsweise gegen Lambert in seiner ältesten Geschichte von Erfurt. 64 flgde und gegen Fischer, den Herausgeber von Nicolai de Bibera Carmen satiricum. in Geschichtsquellen der Provinz Sachsen. I, 98 Note 2 wendet. Und doch scheint ein guter Grund vorhanden zu sein, auf welchem die so vielfach für einen Verstoß gegen die Wahrheit gehaltene und als Irrtum bekämpfte Bezeichnung Werners als »Falkensteiner« beruht. Denn wie es keinem Zweifel unterliegt, dass unser Erzbischof allerdings dem Mannsstamme nach ein Eppsteiner war, so ist die Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass von mütterlicher Seite bolandisch-falkensteinisches Blut in seinen Adern rollte. Weist doch hierauf schon der besonders beachtenswerte Umstand hin, dass der Name »Werner«, welcher vor unserem Erzbischof bei den Eppsteinern nicht vorkommt, in der bolandischen Familie bekanntlich sehr heimisch war! (Vgl. den Stammbaum der Bolanden zu Erzbischof Christian II. auf Tafel V).

Leider fehlt es bis jetzt an jedwedem Anhaltspunkt über den Namen und die Herkunft der Mutter Werners, und es scheint auch noch niemals ein Versuch zur Aufhellung dieser dunklen genealogischen Partie gemacht worden zu sein. Indem wir einen solchen wagen, verhehlen wir uns keineswegs die Unsicherheit der Grundlage, auf welcher wir uns bewegen. An den Namen »Werner« anknüpfend, sehen wir uns, wie schon angedeutet, auf die boland-falkensteinsche Familie hingewiesen, und da begegnen wir denn einer Tochter aus derselben, die recht wohl Werners Mutter sein kann, es ist dies Adelheid, die Schwester Philipps II. und Werners I. (S. unten Tafel VII). Von derselben haben wir nur Nachricht durch die Urkunde Kaiser Friedrichs II. von 1237, welcher den Töchtern Philipps I. von Falkenstein zur Zeit als dieser noch keine Söhne hatte das Erbfolgerecht in den Reichslehen zugesteht (:.. quia filios non habet, filiabus suis Gute et Alheidi, et aliis filiabus quas inposterum generabit) Gudenus, C. d. II, 74.
Die zweifelsohne bestehende nahe verwandtschaftliche Beziehung Werners I. von Falkenstein mit der eppensteinischen Familie lässt sich auch am einfachsten auf die Heirat der Schwester des ersteren mit Gerhard II. von Eppstein zurückführen, und es erhält diese selbst dadurch sogar eine gewisse Bestätigung. In dem Ehecontrakt, welchen Gottfried IV. von Eppstein und Friedrich von Covern für Elisabeth, die Tochter des ersteren, und Robin, den Sohn des letzteren, abschließen (Hontheim, Historia Trevir. diplom. I, 793), werden von der eppensteinischen Seite als Bürgen zunächst aufgestellt: Gerhard, der Bruder Gottfrieds, Diether von Katzenelnbogen, der Gemahl einer Base Gottfrieds, Gerlach von Limburg, ein Onkel Gottfrieds, und an vierter Stelle Werner von Falkenstein, der Bruder Adelheids und Schwiegervater Gerhards II., des Onkels Gottfrieds IV. von Eppstein. Entbehrte unsere Annahme des verwandtschaftlichen Bandes zwischen den Falkensteinern und Eppsteinern der Begründung, so wäre nicht abzusehen, wie Werner unter anderen nahen Verwandten der Braut Elisabeth von Eppstein (vergl. unten den eppsteinischen Stammbaum auf Tafel III) als Bürge in dem Ehevertrag derselben hätte eine Stelle finden können. Hiernach müsste es denn einigermaßen verzeihlich erscheinen, wenn unser Erzbischof Werner als »Falkensteiner« bezeichnet würde, zumal es ja nicht an Beispielen fehlt, dass zur Zeit der Entstehung der Eigennamen adeliger Geschlechter die Söhne oftmals ihre väterlichen Namen mit den Namen der Familien der Mütter vertauschten.[1]

Werners falkensteinische Verwandtschaft ist übrigens Ursache einer großen Verirrung geworden, für welche Trithemius die Hauptverantwortung trifft; doch partizipieren auch viele neuere an derselben, indem sie dem genannten Geschichtschreiber folgend Beatrix, die dritte Gemahlin König Richards von Cornwallis, für eine Falkensteinerin und zudem für eine Schwester des Erzbischofs Werner ausgeben. Im Chronicon Hirsaugiense S. 599 erzählt Trithemius z. J. 1257: »Commisit ergo [rex Richardus] Wernhero Moguntino Archiepiscopo, qui Gerhardo successerat, sicut dicemus, Alsatiam, Philippo de Falkenstein uxoris suae germano Wederaugiam« etc. Dann wird a. a. O. S. 604 und 605 ausgeführt: »Huius Wernheri ac Philippi de Falckenstein fratrum, ut supra dictum est, sororem Richardus Rex Romanorum sibi in uxorem accepit, quoniam speciosa.« Und weiter unten: »Anno praenotato Richardus Rex Roman: apud Wormatiam cum Principibus Imperii constitutus nuptias celebravit solemnes uxorem ducens, ut supra dictum est, anno Volpoldi Abbatis XIII. sororem Wernheri Archiepiscopi Moguntini, et Philippi, Comitis de Falckenstein senioris.« Endlich berichtet Trithemius a. a. o. S. 606 zum Jahr 1261: »Commisit autem Wernhero Monguntiensium Archiepiscopo, cuius sororem habebat uxorem« und »Richardus Rex, sicut dictum est cum uxore sua de Falckenstein in Angliam reversus est.« So evident der Fehler auch ist, Beatrix, die dritte Gemahlin des Königs Richard von Cornwallis, als eine Schwester unseres Erzbischofs Werner zu bezeichnen, so wurde er doch unzählige Mal wiederholt und noch immer wuchert derselbe fort, obgleich ihn schon Gebauer im Jahr 1744 in seinem gediegenen »Leben König Richard's« S. 249 flgde genugsam kennzeichnete, und alle mit demselben von Trithemius in Verbindung gebrachten Unwahrheiten widerlegte. Freilich behauptet Gebauer a. a. O. 255, dass Beatrix »ihren Ursprung von denen freyen Herren von Falckenstein genommen, welche ihren Sitz in der Wetterau gehabt«, doch schon auf S. 258 »kommt er wieder ins Wanken«, da Wikes den Vater der Königin »Theodoricus« nennt, worauf wir gleich zurückkommen werden. Zunächst wollen wir nur bemerken, dass das Geschlecht der Herren von Falkenstein bekanntlich nicht eigentlich ein wetterauisches war. Dasselbe hatte vielmehr seinen Sitz in der Pfalz nicht weit vom Donnersberg, und erst aus der münzenbergischen Erbschaft empfingen die Falkensteiner Philipp und Werner durch ihre Mutter Isengard von Münzenberg die »Cometia Wettereiba«.

Aus der großen Zahl der neueren und neuesten Historiker, welche die Königin Beatrix für eine Tochter aus der falkensteinischen Familie halten, nennen wir zuvörderst Böhmer, (Fontes II, Vorrede xliii u. 456 und Regesten König Richards S. 50); dann Pauli, Geschichte von England. Bd 3, Stammtafel. und Cohn, Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten. Note zu Tafel 21; von der Ropp, Erzbischof Werner. S. 50, Note 1; Lehmann, Urkundliche Geschichte der Bezirks-Hauptstadt Kaiserslautern. (1853), endlich Lehmann, Urkundliche Geschichte der Herrn und Grafen von Falkenstein am Donnersberge in der Pfalz. in: Mittheilungen des historischen Vereins der Pfalz. III. (1871), wo es S. 21 heißt: »Allein jetzt ist es außer allen Zweifel gesetzt und allgemein anerkannt, dass jene Beatrix eine Freiin von Falkenstein gewesen sei, mit welcher Richart am 15. Juni 1269 Hochzeit und Beilager zu Kaiserslautern aufs glänzendste gefeiert habe.«

Nun haben sich aber seit Gebauer auch viele Stimmen gegen die vermeintliche Herkunft der Königin Beatrix aus dem falkensteinischen Geschlecht erhoben. Ohne gerade auf Vollständigkeit Anspruch machen zu wollen, verweisen wir auf: Kremer, Akademische Beiträge zur Gülch- und Bergischen Geschichte. I, 261 flgde; Butkens, Trophées du Brabant. II, 312‒321; Ledebur, Dynastische Forschungen. I Heft, Nr. 2‒3; Ersch u. Gruber, Sect. I, Bd 4, S. 254; Köllner, Geschichte der Herrschaft Kirchheim-Bolanden. 273 und Böhmer-Ficker, Reg. imp. V, nr 5450a und S. 1053.

Das endgültig entscheidende Wort über unsere Streitfrage hat Weidenbach, Die Burg Caub oder Gutenfels und der Pfalzgrafenstein. in: Annalen des Vereins für Nassauische Gesch. IX, 277 flgde (1868) gesprochen, »nachdem er auf diese Irrtümer schon vor vielen Jahren aufmerksam gemacht«, (leider sagt er nicht wo); dessen Ausführungen waren aber Lehmann unbekannt geblieben. Auch ich wurde auf dieselben, obgleich sie K. Schwartz in den Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde. XI, 209 in beifälliger Weise benutzte, erst viel später, als ich meine mit ihnen ganz übereinstimmende Ansicht gewonnen hatte, durch meinen hochgeschätzten Kollegen, den Freiherrn Dr. G. Schenk z. S. aufmerksam gemacht. Der große Irrtum, um welchen es sich handelt, beruht nämlich auf einer Verwechselung der Familien »Falkenstein« mit »Falkenburg« und Montjoie im Limburgischen bei Mastricht. Der Hauptgewährsmann für die letztere ist Thomas Wikes, welcher in seiner Chronica berichtet: » ... nobilem quandam filiam clarissimi viri domini Theodorici de Falkemonte, non ambitu dotalitii, sed incomparabilis forme ipsius captus illecebra, xvi kal. iulii [iun. 16] scilicet dominica proxima post festum sancti Barnabe apostoli sollempni sibi connubio copulavit, et imperiale palatium suum de Lutro quod diversis in regnis comparationem recipere dedignatur, nuptiali sollempnitate, convocatis ibidem non paucis Germanie magnatibus, illustrabat.« Böhmer, Font. II, 456. Hier kommt es nun darauf an zu konstatieren, wer der Theodoricus de Falkemonte (Vergl. Gebauer a. a. o. 253) war [in der Ausgabe von Gale steht »Falkemorite«]. Dieses kann nicht schwer fallen, wenn man die oben zitierte, auf die Familiengeschichte des falkenburgischen Geschlechts bezügliche Literatur zu Hilfe nimmt, aus der man ersieht, dass in demselben Dietrich I., dem unmittelbar Dietrich II. und III. folgen, zwischen 1242 und 1267 vorkommt, welcher ohne Zweifel der Vater der Königin Beatrix ist. Dahingegen suchen wir vergeblich in dem ganzen Stammbaum der Falkenstein nach einem »Theodoricus«, (Vgl. Hopf, Historisch-Genealogischer Atlas. Tafel 476), so dass die an und für sich schon bedenkliche Übersetzung des »Falkemonte« mit »Falkenstein« noch viel weniger annehmbar erscheinen muss.

Nun hat aber Weidenbach a. a. O. aus einer Urkunde König Richards von 1271 September bei Lacomblet, Niederrheinisches Urkundenbuch. II, 365 den schlagendsten Beweis erbracht, dass Erzbischof Engelbert II. von Köln, der Bruder Dietrichs I. von Falkenburg, von König Richard selbst als Verwandter bezeichnet wird, da derselbe in der angeführten Urkunde an den Grafen Wilhelm von Jülich einen Auftrag mit den Worten ertheilt: »Necessitatibus et dispendiis venerabilis E. Coloniensis archiepiscopi, karissimi principis et affinis nostri, benigno compatientes affectu, fidelitati tue districte precipimus« etc. (Weidenbach 287.) Da nun in der Bezeichnung »affinis« der Begriff eines angeheirateten Verwandten liegt und die beiden ersten Frauen König Richards mit Erzbischof Engelbert II. von Köln in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis standen, so muss dies notwendig von seiner dritten Gemahlin Beatrix herrühren. Dies ist aber der Fall, wenn jene eine Tochter Dietrichs von Falkenburg und somit eine Nichte Engelberts von Köln war.

Werner von Eppstein genoss seine Erziehung zu Mainz und zwar in der Domschule, was er wiederholt mit dem Ausdruck lebhaften Dankgefühls bezeugt. So sagt er in einer Urkunde von 1268 November 28: »quod nos nostra Ecclesia Moguntina a primis quasi cunabulis enutrivit.« (Gudenus, C. d. I, 724.) Einer anderen an den Dekan und das Kapitel von Mainz gerichteten Urkunde von 1268 November 30 ist die Arenga vorausgeschickt: »Cum sicut a memoria nostra numquam excidet, Vos toto tempore nostro, donec ex permissione divina presedimus Ecclesie Maguntine, semper direxeritis ad omnia nostra beneplacita voluntates vestras, pariter et consensus; Digne et non immerito reputari possemus ingrati, si vobis pro tanta devotione et amicitia non rependeremus liberaliter gratam vicissitudinem versa vice, qua non solum vos, sed et successores vestros aliqualiter honorare possemus.« (Gudenus, C. d. I. 725.) Eine Urkunde von 1284 März 26 leitet Werner mit den Worten ein: »Notiverit tam presens etwas quam futura posteritas, quod nos iugi meditatione pensantes honores et beneficia grata, que Ecclesia Maguntina mater nostra multis temporibus nobis impendit a primeve iuventutis nostre flore maternis uberibus educando; Vt eidem saltem possimus in aliquo gratitudinis antidoto respondere.« (Gudenus, C. d. I, 807.)

Über Ämter und Würden, in deren Besitz Werner sich vor seinem Pontifikat befand, sind wir genügsam unterrichtet. Schon im Jahr 1248 urkundet er als Domcantor und auch als Propst von Mariengreden zu Mainz (Böhmer, C. d. Moenofr. S. 79 und 80 und Würdtwein, Dioec. Mog. III, 124.) In der letzteren Würde urkundet er auch 1254 April 29 (Joannis, Rerum Mogunt. II, 668.) und erst 1262 Mai 1 konfirmiert er seinen Nachfolger in diesem Amte (S. unten nr 71.)

In welchem Jahr Werner die Propstei von St. Peter zu Mainz erhielt, steht nicht fest, doch muss es zwischen 1242 und 1249 gewesen sein, da in dem ersteren Jahr Propst Friedrich abgesetzt wurde, und Werner in einer undatierten, von uns zum Jahr 1245 eingereihten Bulle Papst Innocenz' IV. an den im Jahr 1249 verstorbenen Erzbischof Siegfried III. als Neffe desselben und als Propst von St. Peter zu Mainz bezeichnet wird. (Vergl. Regesten Erzbischof Siegfrieds III., Nr 548, zu 1245?) Er selbst urkundet zuerst unter dem Titel eines Propstes von St. Peter zu Mainz im Jahr 1253 Januar 28. (Baur, Hess. Urkk. II, 114 und Mone, Zeitschrift f. G. des Oberrheins. XXI, 297) In einer Urkunde von 1253 Mai 31 nennt er sich Dompropst und Propst von St. Peter (Joannis, Rerum Mogunt. I, 614) und es ist bemerkenswert, dass er dieses Amt noch beibehielt, als er längst Erzbischof war. Denn eine Urkunde von 1262 März 2 stellt er aus als »archiepiscopus Moguntinus et praepositus st. Petri.« Joannis, Rerum Mogunt. II, 489. Schon 1251 Mai 15 eröffnet Werner als Dompropst die Reihe der Zeugen in einer Urkunde Erzbischof Christians von Mainz. (Gudenus, C. d. I, 616). 1254 Mai 31 stellt er die bereits angeführte Urkunde aus als »maioris ecclesie et S. Petri prepositus«. Dann urkundet er 1254 ohne Tag, 1254 April 28, Mai 20 und Juli 16 als »prepositus eccl. Mog.« (Gudenus, C. d. II, 761, 764, 793, 797); ebenso 1257, April 17. (Gudenus, C. d. II, 314.); endlich wird 1259 März 6 eine Urkunde an ihn als Dompropst gerichtet. (Gudenus l. c. 746.) In den Scriptoren findet sich nur eine Stelle, in welcher Werner als Dompropst bezeichnet wird, und zwar ist dies im Chronicon Sampetrinum (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen I, 88), wo es zum Jahr 1259 heißt: »Cui Wernherus prepositus maioris ecclesiae successit.«

Endlich müssen wir erwähnen, dass Werner auch Propst der Aschaffenburger Kirche war. Als solcher erscheint er zuerst in der bereits erwähnten Urkunde von 1257 April 17, welche beginnt: »Wernerus D. G. Maguntine et Aschaffenburg. ecclesiarum Prepositus.« (Gudenus, C. d. II, 314.) Auch diese Würde scheint er als Erzbischof bis gegen Ende des Jahres 1262 beibehalten zu haben. Denn 1261 Mai 21 urkundet er als »S. Mag. sedis archiepiscopus .. et prepositus ecclesie Aschaffenburg« (Gudenus, C. d. I, 681): Und da er erst durch Urkunde von 1262 September 6 einen Streit über das Recht der Erwählung eines Propstes zu Aschaffenburg beilegte, war diese Stelle zu der besagten Zeit offenbar noch unbesetzt.

Wenden wir unsere Blicke auf die Beurteilung, welche Werner in der Geschichte gefunden hat, so treffen wir auf nur wenige, jedoch zumeist günstige Urteile. Trithemius nennt ihn im Chronicon Hirsaugiense zum Jahr 1260 »vir prudens et strenuus, qui redditus et proventus ecclesie non mediocriter auxit.« Von Serarius aber wird er als »vir excellens ingenio et prudentia, qui ecclesiam suam optime rexit et proventibus multis ampliavit« charakterisiert. Latomus (Mencken SS. rerum German. III, 520) rühmt ihn als »ingenio et experientia praeditus«. Schunck bezeichnet in seinem Codex dipl. Mog. S. 30, Note 6 unseren Erzbischof als einen »der fürtrefflichsten Regenten, die Mainz gehabt hat«. (Vgl. auch Rheinischer Antiquarius. II. Abtheilung, Band XV, 612). Rommel, Hess. Gesch. II, 72 fällt das Urteil, dass er »zwanzig Jahre mit großer Kraft regierte«. Lorenz betont in seiner Geschichte des 13 und 14 Jahrhunderts. I, 421 ausdrücklich: »Und hier blickt aus spärlichen Nachrichten das staatsmännische Geschick Werners von Eppstein in leuchtender Weise durch.« v. d. Ropp, der Biograph unseres Erzbischofs, unterlässt die große politische Tätigkeit desselben in das verdiente helle Licht zu setzen, ja es ist das Bild Werners, das uns aus der ganzen Darstellung Ropps entgegentritt, in seinen Grundzügen mindestens verschwommen, wenn nicht vollkommen unähnlich. Zum Beweis hiefür mag die folgende, nach den von Ropp gezeichneten Linien zusammengestellte Charakteristik Werners in v. Sybels historischer Zeitschrift. Jahrgang 1874, Heft III, 115 dienen: »Es ist dies freilich keine Gestalt ähnlich den gewaltigen von hohen Ideen beherrschten geistlichen Würdenträgern der vorhergehenden staufischen Periode, auch keiner der rücksichtlos egoistischen Vertreter der fürstlichen Sonderinteressen, wie sie die nächste Folgezeit zur Reife brachte, nein eine Erscheinung, wie sie gerade die Übergangsepoche erzeugen musste, nicht durchaus bar an idealen Gesichtspunkten, aber ohne nachhaltigen Willen sie zu verwirklichen, auf der andern Seite ausgerüstet mit einem auf das Nächstliegende, die Befestigung des kurfürstlichen Einflusses und der fürstlichen Territorialhoheit gerichteten Sinne, aber ohne die Entschlossenheit auch im offenen Kampfe mit dem Königtum diesen Bestrebungen Geltung zu verschaffen; vielleicht deshalb gerade berufen in der Zeit kleiner Menschen und kleiner Mittel eine Rolle zu spielen. Dies das Bild des Mannes, das wir aus des Verf. Darstellung gewinnen.«

Vergegenwärtigen wir uns die politischen Konstellationen, in deren Kreis sich unser Erzbischof als vornehmster Reichsfürst bewegen musste, so finden wir, dass dieselben wiederholt außerordentliche Schwierigkeiten boten und die höchsten Gefahren heftiger Kämpfe in sich schlossen. Währte doch die als »Interregnum« in der Geschichte gebrandmarkte kaiserlose Zeit nahezu ein Dezennium, als Werner das mit dem Krummstab von Mainz verbundene oberste Amt im Reich antrat, um mit Entschlossenheit zunächst dem durch den Mangel einer kräftigen Reichsregierung immer mehr um sich greifenden Fehdewesen Einhalt zu gebieten. Wie er darauf bedacht war, vorhandene Streitigkeiten der Mainzer Kirche mit adeligen Herren beizulegen, wie er namentlich sein persönliches Verhältnis zu den Mainzer Bürgern möglichst einträchtig zu gestalten sich bemühte, so griff er auch sonst überall vermittelnd ein, wo er Umtriebe gewahrte, sei es zwischen weltlichen Herren oder innerhalb der klösterlichen Mauern. Es ist daher kein leerer Schall, sondern wir vernehmen ein Wort verdienten Lobes aus dem Mund der Geschichte, wenn der Wormser Annalist unsern Erzbischof rühmt als »propagator sanctae pacis«. (M. G. SS. XVII, 68 zum Jahr 1270.)

Wäre nicht unwandelbare Friedensliebe und das auf Ruhe und staatliche Ordnung gerichtete Bestreben Werners die Richtschnur seiner politischen Tätigkeit gewesen, so würde wahrscheinlich ein Strom von Unheil über Deutschland hereingebrochen sein, als die mit dem Bann und der Absetzung Kaiser Friedrichs II. begonnene Periode der in rascher Folge sich mehrenden Erschütterungen des römisch-deutschen Königtums auch unter der obersten Leitung der Reichsgeschäfte durch den Erzkanzler Werner nicht so bald ihr Ende erreichte. Zwar hatten die drei geistlichen Kurfürsten im Mai 1246 an des Staufers stelle Heinrich Raspe gewählt, allein noch ehe ein Jahr in dem Strom der Zeit verschwunden war, neigte sich im Februar 1247 des römischen Königs Haupt zur ewigen Ruhe, und erst im Herbst des Jahres 1247 wurde als sein Nachfolger Wilhelm von Holland gewählt. Diesem wurde eine kräftige Stütze durch die ihm gewährte Anerkennung des Papstes zuteil, allein auch die staufische Partei stand noch mächtig da, und namentlich blieben dem jungen Konrad als dem »erwählten König« viele Herren ergeben bis zu seinem Tod, der ihn im Mai 1254 in Italien ereilte. Noch ehe zwei Jahre nach Konrads Tod vergingen, fand König Wilhelm durch seine eigenen Landsleute im Januar 1256 sein tragisches Ende, und obgleich der rheinische Bund zahlreicher Herren und Städte im Gefühl der dem Reich drohenden gefährlichen Lage nur einem einmütig gewählten König seine Anerkennung in Aussicht stellte, teilten sich doch die Stimmen der Wähler, indem diejenigen der Erzbischöfe von Mainz und Köln und des Pfalzgrafen Ludwig im Januar 1257 dem Grafen Richard von Cornwallis zufielen, während im April der Erzbischof von Trier, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg ihre Stimmen auf König Alfons von Kastilien einigten. Während der erwählte König Richard einerseits die Stimme des Böhmenkönigs Ottokar für sich in Anspruch nahm, tat dies andererseits der Erzbischof von Trier für König Alfons, und Pfalzgraf Ludwig machte für seinen Bruder Herzog Heinrich von BaYern das Recht auf eine zweite Wahlstimme geltend, so dass hierdurch die Gegensätze nicht unerheblich verstärkt wurden.

Von den beiden Gewählten erhielt zwar Richard zu Aachen Weihe und Krönung und wiederholt versuchte er es, freilich mit geringem Erfolg, durch sein persönliches Erscheinen im Westen Deutschlands seiner Würde Geltung zu verschaffen, während sein Gegner Alfons nicht einmal die Grenzen Deutschlands oder Italiens sah. Die Päpste Urban IV. und dessen Nachfolger Clemens IV. zögerten mit ihrer Anerkennung des einen der Gegenkönige und begnügten sich mit einer Vorladung der beiden. Dies der Zustand feindseliger Spannung zwischen den mächtigsten Reichsständen. In trostloser Unsicherheit wankte der Thron des römischen Königs; die Repräsentanten der obersten Gewalt boten das Bild tiefster Erniedrigung, es fehlte ihnen an moralischem Gewicht, persönlichem Ansehen und physischer Macht, so dass die Gefahr unheilvoller Zersplitterung, unabsehbarer innerer Kämpfe und namenlosen Elends dem römischen Reich deutscher Nation drohend entgegenstarrte. Unter solchen Auspicien wurde unserem Werner von Eppstein der Krummstab von Mainz gereicht, in der trüben Zeit banger Ahnung wurde ihm die Führung der Geschäfte eines obersten Reichsbeamten anvertraut. Hier musste ein Mann von klarer Einsicht, weiser Umsicht und ungewöhnlicher Vorsicht zur Stelle sein, wenn die Dämonen entfesselter Parteisucht gebannt und durch kluge Berechnung jeden Schrittes die politischen Leidenschaften niedergehalten werden sollten. Diese schwere Aufgabe ist gelöst worden und zwar ist das Riesenwerk nicht zum geringsten Teil dem staatsmännischen Walten unseres Erzbischofs Werner zu verdanken! Vier Prätendenten für die deutsche Königskrone standen sich gegenüber: Richard, Alfons, Konradin, Ottokar.

Für welchen sollte sich der einflussreiche Kirchenfürst, der mächtige Reichserkanzler entscheiden? Er zögerte lange; erst im Jahr 1262 entschied er sich für Richard, hielt aber dann auch an demselben fest, obgleich ihn der Papst nicht anerkannte und Herzog Ludwig von Bayern für seinen Neffen und Mündel, den Staufer Konradin, bis zu dessen Tod im Jahr 1268 entschieden eintrat. Nach dem zuletzt berührten Ereignis scheint Pfalzgraf Ludwig von Bayern Anspruch auf die Königskrone erhoben zu haben und erst im folgenden Jahr (1269) trat er wieder für Richard ein. Da die päpstliche Kurie noch immer mit einer Entscheidung über die zwiespältige Königswahl zögerte, griff in Deutschland eine allgemeine Unzufriedenheit um sich und neue Wahlpläne, an denen aber Werner gewiss keinen Anteil nahm, tauchten auf, so dass sich Papst Clemens veranlasst sah, in einem ausführlichen Schreiben die Vorwürfe bezüglich einer Verschleppung der Wahlentscheidung zurückzuweisen und einen Termin für dieselbe festzusetzen. Doch bevor dieser nahte, starb der Papst im November 1268, und als König Richard im Frühjahr 1269 in Deutschland eintraf, fand er die Kurfürsten von Mainz, Trier und Pfalz auf seiner Seite und es gelang ihm, im April einen Reichstag in Worms zustande zu bringen, als dessen Seele ohne Zweifel Erzbischof Werner waltete. War doch der Beschluss, welcher die Aufhebung der Rheinzölle zum Ziel hatte, schon einige Monate zuvor durch den Erzbischof von Mainz tatsächlich in Vollzug gesetzt worden, und jetzt wurde dieser neben König Richard mit der Überwachung jenes Beschlusses beauftragt. Musste der Reichstag zu Worms als ein offenkundiges Zeichen königlicher Machtentfaltung erscheinen, so gab Erzbischof Werner dem König Richard kurz darauf wiederholt Gelegenheit, einem wichtigen Akt durch seine Gegenwart erhöhte Bedeutung zu geben, indem er ihn herbeizog, als er auf der Synode zu Mainz im Mai 1269 die Exkommunikation über den Herzog Albrecht von Braunschweig in feierlicher Weise aussprach. Auf diese Art suchte Werner das Ansehen Richards zu heben und für seine allgemeine Anerkennung zu wirken, zugleich aber bemühte er sich eifrigst, den Landfrieden zu fördern und die zahlreich vorhandenen Fehden beizulegen.

Da fiel mitten in diese der Wohlfahrt des Reiches gewidmeten Bestrebungen des Erzkanzlers die Kunde von dem plötzlich am 2. April 1272 erfolgten Tode König Richards, und jetzt erreichte die durch Werners geschickte Diplomatie niedergehaltene Gefahr den höchsten Gipfel. Hätte in diesem Augenblick Papst Gregor X. seine Absicht zur Ausführung gebracht, selbst in die Angelegenheit der Wahl eines römisch-deutschen Königs einzugreifen, wie leicht hätte er auf Widerstand der Wahlfürsten oder wenigstens einiger derselben treffen können, und somit wäre das Signal unabsehbarer Verwirrung gegeben gewesen. Der Papst stand von seinem Vorhaben ab (vgl. sein Schreiben von 1272 September 16 an König Alfons), zugleich aber wich er dem Ersuchen König Alfons' um Anerkennung aus und betonte entschieden das Recht der Wähler ihm gegenüber. Sollte Gregor X. diesen Schritt weiser Vorsicht ohne den Beirat des Metropoliten von Deutschland, des obersten Reichsbeamten, getan haben? Wir möchten es bezweifeln! Übrigens war der Papst bemÜht, die Hindernisse einer einmütigen Königswahl zu beseitigen, indem er den Erwählten von Trier anerkannte und durch diesen die Absolution des Pfalzgrafen Ludwig aussprechen ließ. Unterdessen war es den Vermittelungsbestrebungen unseres Erzbischofs gelungen, einen Ausgleich zwischen Engelbert von Köln und dem Pfalzgrafen anzubahnen und er selbst schloss mit dem letzteren ein Schutzbündniss, so dass sich eine Annäherung der Kurfürsten untereinander immer mehr vollzog und das unermüdliche Bestreben Werners, das Zustandekommen einer einhelligen Wahl zu erzielen, mehr und mehr Aussicht auf Erfolg gewann. Dies war besonders auch bezüglich des am 5. Februar 1273 zu Mainz geschlossenen Städtebundes der Fall, welcher sein Bestehen gewiss zum großen Teil dem erheblichen Einfluss unseres Erzbischofs verdankte. Hierauf weist wenigstens die ganz im Sinn Werners abgegebene, durch Eid bekräftigte positive Erklärung der Städte hin, nur einem einmütig gewählten König die schuldige Unterwerfung und Verehrung zuteil werden zu lassen, die aber nicht durch die Majorität der Kurfürsten aufgestellten Könige weder in ihre Mauern aufnehmen, noch ihnen Hilfe gewähren zu wollen.

Um die ganze Größe und Schwierigkeit der Aufgabe, eine einhellige Königswahl zustande zu bringen, mit einem Blick übersehen zu können, braucht man sich nur die stattliche Reihe von sechs Prätendenten in den Jahren 1272 und 1273 vor das Auge zu stellen: 1) Alfons von Kastilien, 2) König Ottokar von Böhmen, 3) Pfalzgraf Ludwig, Herzog in Bayern, 4) König Philipp III von Frankreich, 5) Graf Siegfried von Anhalt, 6) Graf Rudolf von Habsburg. Vor der Lösung dieses großen diplomatischen Rätsels hätte ein von einseitigem Parteiinteresse geleiteter, in der Kunst ruhiger und vorsichtiger Berechnung nicht so wohl geübter Staatsmann wie unser Reichserzkanzler gewiss zurückschrecken müssen! Werner wankt nicht und im Vertrauen auf seine moralische Kraft und reiche Erfahrung fasst er sein Ziel scharf ins Auge, gewinnt von seinen Kollegen einen nach dem andern und die Erreichung des längst erstrebten Zieles musste gesichert erscheinen, als der Reichserzkanzler durch ein Ausschreiben die Kurfürsten auf den 29. September zur Wahl nach Frankfurt einlud. Das glückliche Resultat derselben war die einmütige Übertragung der römisch-deutschen Königskrone auf den Grafen Rudolf von Habsburg, welcher in der Folge keinen Anstand nahm, dem Gefühl des Dankes und der Demut dem Erzbischof Werner gegenüber den lautesten Ausdruck zu geben, indem er sich selbst als »plantacio tua« bekannte. (S. unten Nr. 336 zu 1274 Juli oder August.)

Hier sind wir nunmehr am Ziel unserer Darstellung angelangt und bedürfen keiner weiteren historischen Moment zur Begründung der unleugbaren Tatsache: Dem Erzbischof Werner war es gelungen, den Namen eines römisch-deutschen Königs, dessen Klang längst nicht mehr volltönig, dessen Glanz so sehr getrübt war, wieder zu Ehren zu bringen! Denn er vorzugsweise vereinigte alle Wahlstimmen auf einen Mann und erhob diesen dadurch zu einem wirklichen und starken Haupt der Nation, zugleich aber gewährte er auch hierdurch dem Verfassungsgebäude des Reiches Festigkeit und Dauer, indem er dasselbe »auf die Basis der kurfürstlichen Regierung stellte« (Lorenz, Geschichte des 13. und 14. Jahrhunderts. I, 415.)

Von Werner sind zweierlei Siegel erhalten. Das eine aus der Zeit vor seiner Weihe mit der ausdrücklichen Bezeichnung »electus«, das andere ist wegen des Rades im Rücksiegel bemerkenswert. Das erstere ist abgebildet bei Würdtwein, N. subs. IV, Tafel XX und beschrieben l. c. pag. XX, sowie bei Joannis, Rerum Mogunt. II, 601; von dem zweiten finden sich Zeichnungen bei Würdtwein a. a. o. ad tab. XX und bei Salver, Proben des deutschen Reichsadels, tabula ad pag. 94 (zu der Urkunde von 1264 April 17), sowie eine ausführliche Beschreibung bei Würdtwein a. a. O. XX und XXI und bei Mone, Zeitschrift f. G. d. Oberrheins. III, 207.

Aus den Geschichtsdarstellungen, welche die Zeit Erzbischof Werners behandeln, sind vorzugsweise die Werke von Gebauer und Lorenz (siehe die Einleitung zu Erzbischof Gerhard I.) zu bemerken; Kopp, Geschichte d. eidg. Bünde. Bd I (König Rudolf u. seine Zeit). Leipzig, Weidmann'sche Buchhandlung. 1845; ferner Dr. Goswin von der Ropp, Erzbischof Werner von Mainz. Ein Beitrag zur deutschen Reichsgeschichte. Göttingen, Vandenhoek und Ruprecht's Verlag. 1872. (Recensiert von Busson im Bonner Literaturblatt. 1872, Nr. 6, S. 131); W. Wilmans, Die Reorganisation des Kurfürsten-Collegiums durch Otto IV und Innocenz III. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1873; endlich Dr. Friedrich Schirrmacher, Die Entstehung des Kurfürstencollegiums. Berlin, Druck und Verlag von Otto Janke. 1874.

Fußnotenapparat:

[1] Wie häufig gerade im 13. Jahrhundert die Sprösslinge vornehmer Geschlechter mit den Familiennamen der Mütter bezeichnet werden, wollen wir an nur einigen schlagenden Beispielen, deren Zahl sich übrigens leicht vermehren ließe, nachweisen. Zu diesem Zweck greifen wir zunächst auf Erzbischof Christian II. zurück, welcher nach unserer Darlegung dem Mainzer Ministerialengeschlecht der Jude angehörte, wegen seiner Verwandtschaft mit der bolandischen Familie aber bis auf unsere Tage gewöhnlich mit dem Namen dieses Dynastengeschlechts bezeichnet wird. (S. oben Einleitung zu Christian II.). Hierauf wenden wir uns dem wildgräflichen Stammbaum zu (S. unten Tafel VI), aus welchem wir ersehen, dass zwei Glieder dieses Geschlechts, Konrad und Emicho, Bischöfe von Freising wurden, welche oft genug (Consentiunt domestici codices et scriptores, hunc Conradum ortum traxisse e familia comitum de Wittelspach. Meichelbeck, Hist. Fris. II, 49), und besonders in Bischofsverzeichnissen der jüngsten Zeit (wir nennen nur Potthast und Gams) als »Wittelsbacher« aufgeführt zu werden pflegen, obgleich sie der väterlichen Abstammung nach Wildgrafen waren. Mit dem bayerischen Herzogshaus standen sie nur insofern in verwandtschaftlicher Beziehung, als der genannte Bischof Konrad ein Enkel, und Bischof Emicho ein Urenkel einer Pfalzgräfin von Wittelsbach (Agna?) war.
In unserem Stück des boland-falkensteinschen Stammbaums ist bemerkt, dass Philipp IV. von Bolanden (von Falckenstein [II]) von »Münzenberg« genannt wird. Woher dies? Seine Mutter war Isengard von Münzenberg, welche mit vier Schwestern ihren einzigen Bruder Ulrich beerbte (Vergl. Wenck, Hessische Landesgeschichte I, 286 und 287; Köllner, Geschichte der Herrschaft Kirchheimbolanden. 370 flgde; Lehmann, Urkundliche Geschichte der Grafen von Falkenstein. in: Mittheilungen des histor. Vereins der Pfalz. III, 13; Weidenbach, Die Burg Caub. in: Annalen des Vereins für Nassau. Geschichte. IX, 281 und 283.) und deren Söhne dann die münzenbergische Erbschaft teilten. (Vergl. Gudenus, C. d. II, 179.) In einer Urkunde von 1265 Januar (Gudenus, Sylloge. I, 246) nennen sich die falkensteinischen Brüder Philipp II. »de Minzenberg« und Werner I. »de Falkenstein«, »zum Beweis, dass sie damals noch manchmal mit diesem Namen abwechselten, weil keiner von ihnen schon eigentümliche feste Besitzungen, sondern nur Binkünfte von denselben zu benutzen hatte«. (Lehmann, Urkundliche Gesch. der Herren und Grafen von Falkenstein am Donnersberge. 23.)
Gerhard II. von Eppstein, der Vater Erzbischof Werners, wird von »Braubach« genannt. Wahrscheinlich weil seine Mutter eine »von Braubach« war, und er ein braubachisches Erbe erhalten hatte. (Vergl. Rossel, Urkb. der Abtei Eberbach. I, nr 156: »Gerhardus de Brubach et Godefridus frater eius.« Wohlerhaltenes Reitersiegel mit der Umschrift: S. Gerhardi de Eppenstein. ‒ Ferner: G. Schenk z. S.: Die Herrn v. Eppstein in: Correspondenzblatt des Gesammtvereins u. s. w. Jahrgang 1874, Nr. 9 und derselbe: Verbesserte Tafel z. älteren G. des Reichsministerialiengeschlechts von Bolanden. in: Correspondenzblatt u. s. w. Jahrgang 1876, Nr. 2.)
In dem ostfränkischen Haus Rieneck kommen wiederholte Fälle der Namensänderung durch Erbtöchter vor. So heiratet in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts Arnold von Looz die Erbtochter Gerhards I. von Rieneck und ward durch die Vereinigung beider Grafschaften der Begründer der beiden aus seiner Deszendenz seit 1194 bestehenden Linien der Grafen von Looz und von Rieneck. Beide Grafschaften vereinigte Graf Ludwig III. im Jahr 1222, trat aber die von Looz bald an seinen Bruder Arnulf oder Arnold ab, welcher sich infolge seiner Vermählung mit der Erbtochter Johanna von Chiny »comes de Loz et de Chiney« nennt. (Vgl. Hegel, Die Grafen von Rieneck u. Looz als Burggrafen von Mainz. in: Forschungen zur deutschen Gesch. XIX, 571‒587):

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Zitierhinweis:

BW, RggEbMz 36 Nr. 001a, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/21672 (Zugriff am 19.04.2024)