Böhmer/Will, Regesten (706-1288)

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BW, RggEbMz 06 Nr. 001a

Datierung: 26. April 847 bis (2) 4. Februar 856

Quelle

Ohne Aussteller, Empfänger und Empfangsort

Archiv: Böhmer/Will, Regesten

Weitere Überlieferung:

Böhmer/Will, Regesten S. XIX-XXIV.

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Inhalt

Kopfregest:

Einleitende Bemerkungen Böhmers und Wills zu Erzbischof Rabanus Maurus.

Vollregest:

Unter den vielen großen Männern, welche dem erzbischöflichen Stuhl von Mainz zu besonderer Zierde gereichten, steht Rabanus Maurus in der vordersten Reihe. Als Schriftsteller hat er sich durch zahlreiche Werke hoch verdient gemacht um die Wissenschaft und namentlich um Verbreitung der christlichen Lehre und allgemeiner Bildung; sein Ruhm als Lehrer muss ihm für alle Zeiten unverkürzt bleiben; als Abt des Klosters Fulda und als Erzbischof von Mainz glänzte sein gewaltiger Geist wie eine Leuchte des Christenthums weit hinein in die Nacht barbarischer Zustände. Dass er ein Franke seiner Abstammung nach gewesen, ist als feststehend zu betrachten; unsicher ist es, ob er der Familie der Magnentier angehörte, da Magnentius als eine Corruption aus Moguntinus zu betrachten sein dürfte. Ebenso unerwiesen ist es, dass sein Vater Ruthardus und seine Mutter Adelgunde geheissen. Eckhartin: Comment. Franciae orient. I, 730 will beweisen, dass seine Eltern die Namen Walramus und Waldrada geführt, allein er bringt für die ganze Aufstellung der Familie nur schwache Indizien bei. Als Rabans Geburtsstadt nimmt man mit Grund Mainz an; das Jahr seiner Geburt ist zweifelhaft, doch dürfte sie ungefähr ins Jahr 776 fallen. (Vergl. Mabilloni, Rab. Mauri elogium hist. in: AA. ord. S. Ben. IV, 2. S. 20 flgde und Migne, CVII, 1-39; Joannis, Rerum Mogunt. I, 389).

Der Name »Raban« ist gleich dem althochdeutschen hraban, dem heutigen Rabe. Uebrigens ist corvus zufällig nicht bloß Übersetzung, sondern hrab-h-ch stimmt lautverschoben zu corv. Die Schreibweisen Hraban und Rhaban sind Eigenthümlichkeiten der hochfränkischen Mundart im 8. und 9 Jahrhundert. (Verg. Müllenhoff und Scherer, Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem 7.-12. Jahrhundert.) Den Beinamen Maurus erhielt er von Alcuin in Tours und zwar mit Rücksicht auf Maurus, den Schüler des hl. Benedict qui cum bonis polleret moribus, magistri adjutor coepit existere, wie der hl. Gregor in Dial. L. II, c. 3. berichtet. In der praef. zu Commentaria in libros quatuor regum bei Pamelius, Hrabani opp. III, 45 oder Migne, Patrol. CIX, 9. sagt er: ... M. litteram Mauri nomen exprimentem, quod Magister meus b. mem. Albinus mihi indidit. Und in einem Gedicht (Alcuini opp. ed. Frobenius. II, 233 und Migne, CI, 794. Hiezu vergl. Monumenta Alcuiniana edd. Wattenbach u. Dümmler. 801 note 1.) redet Alcuin den Raban an: Has tibi, sancte puer Benedicti Maure, camenas Albinus vates versiculis cecinit.

Frühzeitig wurde Raban dem Kloster Fulda, als Abt Baugolf demselben vorstand (780-802), zur Erziehung übergeben. Von diesem erhielt er i. J. 801 die Weihe als Diacon (Ann. Lauris. min. in: MGH SS 1, 120) und wurde dann vom Abt Ratgar mit zwei andern jungen Mönchen nach Tours geschickt, um bei Alcuin den höheren Unterricht zu genießen. Dieser gewann seinen Schüler sehr lieb und trat in ein nahes Verhältniss zu ihm. (Vergl. Alcuin's Briefe an Raban. in: Monumenta Alcuiniana edd. Wattenbach u. Dümmler.) Nach Fulda zurückgekehrt übernahm Raban die Leitung der Schule daselbst, die sich rasch zur höchsten Blüte entfaltete. (Ueber die Studien im Kloster Fulda handelt sehr gründlich Köhler in seiner unten angeführten Dissertation.) Am 23. Dez. 814 empfing er von dem Erzbischof Haistulf die Priesterweihe (S. Haistulf nr. 2.). In schweren Tagen, welche des Abtes Ratgar rauhe Regierung über Fulda brachte, musste ohne Zweifel auch Raban tiefen Schmerz ertragen, bis endlich i. J. 817 das Kloster von seinem Bedränger durch Absetzung desselben befreit ward. Unter dessen Nachfolger Eigil kehrte Friede und Freude ins Kloster zurück und eine Umänderung in der Einrichtung der Schule, die noch immer unter Raban stand, gereichte dieser jedenfalls zum Vorteil. Einhart ermahnte i. J. 840 einen gewissen Vussinus die Sitten und Regeln Rabans zu befolgen. Derselbe war, als Abt Eigil im Juni 822 gestorben war, zum Nachfolger desselben erwählt worden. Die Erfüllung der grossen Pflichten seines Amtes, die Sorge um das geistige und materielle Wohl seiner Untergebenen hinderten ihn nicht an der Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, die gerade jetzt die reichsten Früchte trug. Den lebhaftesten Anteil nahm er an der Bekämpfung des Häretikers Gotschalk; allerwärts suchte er das Christenthum zu befestigen, sorgte für den Bau von Kirchen und Klöstern, erschien auf dem Reichstag zu Worms (829), der Synode zu Diedenhofen (835), dem Reichstag zu Nimwegen (838), und war eifrig bemüht, den Kampf zwischen Ludwig d. Fr. und seinen Söhnen beizulegen. Mit aller Entschiedenheit vertrat er die Sache des Kaisers, dessen Absetzung er für ungültig erklärte. Der Kaiser nahm das lebhafteste Interesse an Rabans schriftstellerischem Wirken und dieser widmete ihm sowie seiner Gemahlin und seinem Sohne und Enkel Lothar I. und Lothar II. mehrere von seinen Werken. Nach dem Tod Ludwigs nahm Raban für den jungen Kaiser Lothar Partei und als dieser unterlegen, suchte er Ruhe in der Einsamkeit, indem er die Abtswürde seinem Schüler Hatto oder Bonosus übertrug und auf dem Petersberge bei Fulda einzig den Studien lebte (842). (Vergl. Dronke, Zur Chronologie der Fuldaer Aebte. in: Ztschr. d. Ver. f. hess. G. V, Heft I, 32.) Als aber einmal Ludwig d. D. in die dem Kloster Fulda gehörige Zelle Rasdorf kam, ließ er Raban zu sich rufen und es kam bei dieser Gelegenheit höchst wahrscheinlich eine Aussöhnung zwischen beiden zustande. Raban widmete ihm seinen Kommentar zum Propheten Daniel.

Liegt es nahe, dass die grosse Reihe persönlicher Vorzüge, durch welche sich der Abt von Fulda glänzend auszeichnete, ihn als einen des erzbischöflichen Stuhles von Mainz würdigen Mann erscheinen liessen, so war es doch auch von grosser Bedeutung, dass ihm König Ludwig gewogen war, ohne dessen Zustimmung Raban trotz der Wahl von Clerus und Volk wohl kaum die erzbischöfliche Würde hätte erlangen können. Im Besitze derselben scheint er sich mit den Welthändeln in keiner Art mehr beschäftigt zu haben, was sich daraus erklärt, dass er im Herzen stets Lothar ergeben blieb und nach dessen Tod seine Liebe auf den jungen Lothar II. übertrug. Sein kirchliches Amt verwaltete er mit der ganzen Kraft seines Wissens, indem er die Pflichten eines Oberhirten durch Förderung der Zucht, durch Kampf gegen die Häresie Gotschalks, durch Abhaltung von Synoden, durch Armenpflege eifrig erfüllte. Dennoch blieb er mit ungeschmälertem Erfolg den Studien zugetan und selbst schwere körperliche Leiden, von denen er in den letzten Jahren seines Lebens gebeugt ward, machten den Born seines geistigen Schaffens, seiner wissenschaftlichen Productivität nicht versiechen. Als er dem Kaiser Lothar seine Erklärung des Jeremias widmete, schrieb er demselben: Qui licet aliquid magni nunquam fuerim, tamen modo longe aliud me esse sentio quam fueram: qui gravi aegritudine pressus jam saepius in lectulo accumbo, quam ad scribendum vel ad legendum in meditatorio sedeo. (Migne, CXI, 794). Und in der Widmung des Kommentars zum Ezechiel schrieb er an Lothar: Quod vero tertio loco postulastis de Ezechiele in praesenti opusculo, prout infirmitas corporis et parvitas igenii sinit, confectum habetis. (Migne, CX, 497.) Kaiser Lothar bemerkte in dem Schreiben, im welchem er den Raban zur Abfassung von Homilien aufforderte: Sit ergo nostra quies vestri laboris exactio, et sudor esurientis ac sitientis animi plena refectio. Nulla, inquam, senii objiciatur adgravationis excusatio, cum juventus ingenii maneat indefessa. (Kunstmann, Rhabanus Maurus. 222.) Hierauf antwortete Raban: Hoc ergo cum trepidarem incipere propter corporis aegritudinem et animi debilitatem, qui licet numquam aliquid fuerim, longe tamen propter grandaevam aetatem modo aliud suum, quam eram, juxta illud gentilis poetae, quo ait: Omnia fert aetas, animum quoque; nec lectioni possum assidue operam dare, sicut quondam solebam, quantum licebat, quo saepius suscipit me lectulus meus cubantem, quam cathedra tenet meditantem aut docentem. Kunstmann,a. a. O. 223.

Die Werke Rabans verfolgen vorzugsweise einen praktischen Zweck, indem sie der Erziehung und dem Unterricht, welche seinen hauptsächlichsten Wirkungskreis bildeten, dienen sollten. Daher ist auch der Inhalt eines grossen Teils von Rabans Werken auf die Erklärung der biblischen Schriften gerichtet; andere beschäftigen sich mehr mit dem Ritus und der Disziplin in der Kirche. Aber auch die dogmatische und canonistische seite der christlichen lehre findet natürlich die entsprechende berücksichtigung, so dass der Leiter der ersten Schule in Deutschland nicht nur durch das gesprochene Wort, sondern auch durch die Schrift alle Lehren und Einrichtungen des Christenthums verbreitete. Raban beschränkte sich aber in seinen Werken nicht auf das Gebiet der Theologie, sondern dieselben sind als der Inbegriff des gesammten Wissens seiner Zeit zu betrachten. Wusste er doch für die Behandlung der verschiedenartigsten Dinge stets einen Anlass zu finden und sein Werk über das »Weltall« (de universo) trägt ein vollständig encyclopädistisches Gepräge. Auch ist eine grosse Reihe von Gedichten Rabans (Zum erstenmale von Brower ediert, neuerdings von Migne, Cursus Patrol. lat. Tom. CXII.) erhalten, von denen ein Teil an verschiedene Personen gerichtet ist, andere sind Inschriften an Kirchen, Altären und Kreuzen; Hymnen sind 28 von ihm bekannt und Epitaphien 20. Die Schreibweise Rabans ist meist sehr einfach, aber weder in der gebundenen Rede, noch in der Prosa mustergültig. (Seinem Schüler Rudolf erschien er freilich als sui temporis poetarum nulli secundus.) Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass es ihm darauf ankam, gemeinverständlich zu schreiben. An sprachlicher Bildung gebrach es ihm nicht, da er ausser lateinisch auch griechisch und wahrscheinlich auch hebräisch verstand. (Köhler sucht das Maß der Kenntnisse Rabans in bezug auf die griechische und hebräische Sprache ziemlich zu beschränken.) Diese drei sprachen hielt er zur Auslegung der hl. Schrift erforderlich, wie er in »De universo« Lib. XVI, C. 1. (Migne, CXI, 436) auseinandersetzt. (Unde et, propter obscuritatem sanctarum scripturarum, harum trium linguarum cognitio necessaria est, ut ad alteram recurratur, si aliquam dubitationem nominis vel interpretationis sermo unius linguae attulerit. Wie sehr Raban bemüht gewesen, aus der Pflege der deutschen Sprache praktischen Nutzen für die Verbreitung der christlichen Lehren zu ziehen, ersieht man aus den höchst wahrscheinlich von ihm herrührenden »biblischen Glossen«. W. Wackernagel, Geschichte d. deutschen Literatur. S. 53 sagt: »Und so wird man auch wenig irren, wenn man noch eine andre Sammlung biblischer Glossen, die sich von jetzt an in zahlreichen Exemplaren und in mannigfachen Veränderungen derselben Grundgestalt weithin verbreitet findet, von den Vorträgen und dem Beispiele Hrabans herleitet; bei einer Glossensammlung nichtbiblischen Inhaltes, die Walafrid Strabus, seit 842 Abt der Reichenau aufgezeichnet, beruft sich dieser ausdrücklich auf seinen Lehrer Hraban.« (Vergl. Hoffmann, Althochdeutsche Glossen. VI flgde u. XXX. Das interessante Werk von R. v. Raumer, Die Einwirkung des Christenthums auf die althochdeutsche Sprache. S. 82 flgde, 126 flgde. u. Hattemer, Denkmäler des Mittelalters. I, 315.) In dem zweiten Kanon der Synode zu Mainz ward bestimmt: Et ut easdem homilias quisque aperte transferre studeat in rusticam Romanam linguam aut Theotiscam, quo facilius cuncti possint intelligere quae dicuntur. Aber auch ein sprachlich-wissenschaftliches Interesse war Raban nicht fremd. Vergl. die angeführten Schriften von Raumer und von Wackernagel. Der letztere sagt: »Nicht minder wahrscheinlich ist die Vermuthung, dass auch die grössere Genauigkeit, mit der man jetzt das Deutsche schriftlich darzustellen, die Sorgfalt, mit der man jetzt und zuerst jetzt sogar die Accente und die Quantitäten zu bezeichnen beginnt, gleichfalls nur von ihm sei aufgebracht worden: das älteste und eines der vorzüglichsten Muster in beiden Beziehungen ist Otfried, und auch Otfried war ein Schüler Hrabans, und Hraban schenkte selbst der Schrift der Germanen ausser Deutschland, selbst den Runen seine gelehrte Aufmerksamkeit.« Kelle, Otfrid's Evangelienbuch. I, 31 bemerkt: »Namentlich das Kloster Fulda ging bei dieser Pflege der Muttersprache allen andern Klöstern als strahlendes Muster voraus. Sein hochberühmter Abt Rhabanus befasste sich besonders mit der deutschen Sprache und Literatur, und arbeitete mit aller Macht daran, sie allen Situationen anzubequemen und zur Schriftsprache zu erheben, weshalb er seine Schüler besonders zur grösstmöglichsten Genauigkeit im Schreiben und zur Bezeichnung des Tones deutscher Wörter, den man vielleicht deutschen Sängern abgelauscht hatte, anhielt. Vielleicht, dass Otfrid eben in Fulda die Art und Weise seiner Schreibung und die Anwendung seiner Accente gelernt hat, wie zweifelsohne seine Liebe zur Muttersprache und seine Kenntniss derselben aus diesem Kloster stammen.« Behringer, Krist und Heliand. (Würzb. Progr. 1869/70.) 59. Bartsch, Handschrift mit Hrabanus Runenalphabet. in: Pfeiffer-Bartsch, Germania. Jhg. 1872, Heft 4. Wie Raban in seinem vielbeschäftigten und bewegten Leben oftmals erfahren mochte, dass selbst das Edelste und Beste nicht ohne Anfechtungen zu erreichen ist, so muss ihm namentlich sein Wirken als Schriftsteller Neid und Verunglimpfung zugezogen haben. Andeutungen hiervon gibt er an einigen Stellen. In dem Dedicationsschreiben zu dem Kommentar des Jeremias an k. Lothar sagt er z. b. Et quoniam plurimorum diversae sunt voluntates, et differunt ingenia vacillantque sententiae, placuit mihi te unum ac solum judicem, ac benevolum ac sapientissimum expetere, sanctissime atque augustissime imperator Lothari, cujus mentem divina sapientia illustrans, non permittit fraude invidorum corrumpi, nec versutia perversorum seduci: sed in aequitatis et justitiae regula conservans, per viam veritatis sedulo deducit. Und in der praefatio des dem Erzbischof Haistulf gewidmeten Kommentars zum Evangelium des Matthäus legt er offenbar Verwahrung gegen Angriffe ein, die man gegen ihn erhoben, indem er sich äussert: .. detrahentium atque insultantium non curans vaniloquium, qui magis praesumptioni quam pietati nostrum forsitan deputabunt laborem. Et non mirum, cum magis parati sint aliena lacerare, quam propria opuscula condere. Quorum quia nemo potest calumniam et invidos morsus devitare, nisi qui omnino nihil scribit, magis eligo vanam surda aure pertransire querimoniam, quam otiose torpens Christi negligere gratiam.

Was die Quellen zur Geschichte des Rabanus Maurus betrifft, so müssen als die vorzüglichste derselben seine eignen Werke betrachtet werden. Obgleich keines derselben eigentlich historischen Inhaltes ist, so finden sich doch an den Vorreden und Widmungen der Schriften sowie auch in den Gedichten häufige Notizen zur Zeitgeschichte, welche auch seine Beziehungen zu derselben beleuchten; namentlich aber gewinnt sein persönliches Verhältniss zu seinen Zeitgenossen durch jene literarische Producte sowie durch Briefe die gewünschte Klarheit. Von den letzteren ist leider jetzt nur noch ein geringerer Teil erhalten, während die Magdeburger Centuriatoren eine noch bei weitem grössere Anzahl besaßen. Nach Kindlinger in: Buchonia I, 149 wurden auf der Bibliothek zu Fulda gemäss der Angabe eines alten Katalogs daselbst die Werke des Rabanus Maurus in 38 Bänden aufbewahrt. Vergl. Dümmler, Ueber eine verschollene Fuldische Briefsammlung des neunten Jahrhunderts. in: Forsch. z. d. G. V, 371 flgde und Phillips, Der Cod. Salisb. S. Petri. IX, 32. in: Sitzungsbericht der k. k. Akademie zu Wien. XLIV, 462.

Die Wirksamkeit Rabans als Abt von Fulda wird durch zahlreiche Urkunden illustriert, die von ihm oder für ihn ausgestellt sind oder in denen er wenigstens erwähnt wird. (Vergl. Dronke, Cod. dipl. Fuld.) Hier können wir nicht umhin, ein Wort der Klage bezüglich der Ausgaben der Werke des Rabanus Maurus auszusprechen. Dieselben wurden zunächst vielfach einzeln herausgegeben, bis Colvenerius eine Gesammtausgabe (Coloniae 1627) in sechs Bänden fol. veranstaltete. War dieselbe schon bezüglich der damals bekannten Schriften des grossen Lehrers unvollständig, so ward dieser Mangel mit dem Hervortreten von früher unbekannten Schriften Rabans natürlich immer fühlbarer und durch Migne ist demselben auch nicht abgeholfen worden, obgleich Bd 107-112 seiner Patrologie »Rabani Mauri Opera omnia« enthalten sollen; es genügt anzuführen, dass in dieser Ausgabe Schriften fehlen, die von Lazius, Baluz, Mabillon, den Magdeburger Centuriatoren und neuerdings von Kunstmann ediert wurden. (Eine prachtausgabe des Werkes »In laudem sanctae crucis« erschien in Leipzig bei Poenicke u. Sohn. 1847.) Unter diesen Umständen erscheint es uns als eine Ehrenschuld der Deutschen, den Werken des ersten Meisters der Schule doch mehr Würdigung zuteil werden zu lassen, als es bis jetzt geschah, und vorzugsweise sollte hierzu der Orden Beruf in sich fühlen, der Stolz darauf sein darf, unter seine Brüder einen Rabanus Maurus zu zählen. Schon einmal war zur Lösung dieser Aufgabe 25 Jahre fortgesetzte gute Vorbereitung getroffen durch Baptist Enhuber, den Prior von St. Emmeran in Regensburg, aber die Ungunst der Zeit am Ende des vorigen Jahrhunderts mochte seinen Arbeiten, denen er i. J. 1800 durch den Tod entrissen ward, störend entgegengetreten sein. (Vergl. Denkschrift auf Roman Zirngibl. in: Histor. Schriften von Westenrieder. I, 116. Anm.) Seine hinterlassenen Sammlungen, welche mehrere unedierte Schriften Rabans enthalten, werden auf der k. Bibliothek zu München aufbewahrt, wo sie von Kunstmann benutzt wurden, der einiges aus ihnen mittheilte. Sehr beachtenswert sind die Notizen über Rabanische Handschriften in dem Artikel »Zum Rabanus-Maurus-Jubiläum« (Histor.-polit. Blätter. XXXVII, 340 und 444.) Möchte Enhubers Nachlass in München als eine grosse Mahnung erscheinen, dass sein begonnenes Werk noch der Vollendung harrt!

Noch fügen wir folgende Notizen an, welche sich auf Schriften Rabans beziehen. Primum sermonem, scilicet: Legimus in ecclesiasticis historiis, videlicet precedentes lectiones, que sunt usque: Hodie dilectissimi, fecit Rabanus, qui, ut habetur in sequentibus, factus est Moguntinus archiepiscopus; secundum vero sermonem scilicet: Hodie dilectissimi, videlicet extremas lectiones fecit domnus Albinus doctor, qui et Alcuinus, eiusdem Rabani magister. Quamvis enim hii duo sermones absque differentia in passionario Clarevallensi inscribantur sub nomine Rabani, tamen non videtur esse unus stilus amborum, et in quodam antiquo libro de Bulencuria scriptum invenitur super: Hodie dilectissimi: Sermo domni Albini doctoris. Chronica Albrici monachi trium fontium. in: M. G, SS. XXIII, 731.
Nicolaus von Siegen (Thuring. Geschqq. II, 168. herausgegeben v. Wegele) sagt von der Schrift in laudem crucis: Ego frater Nicolaus de Sygen vidi exemplar huius operis et credo, quod vix inter mille scriptores huius mundi reperiretur, qui illud opus aut consimile scribere et configurare possit. Est etenim opus admirabile et visui stupendum.
Nach Evelt, Zur G. des Studien- und Unterrichtswesens u. s. w. II, 22 erzählt Gamans S. J. Imad (Bischof v. Paderborn. 1051-1076.) ecclesiae cathedrali plurimos dedit libros in pergameno excellentissime scriptos eosque auctorum praestantissimorum, ut sacrorum bibliorum, sanctorum patrum et aliorum interpretum, ut Rhabani.
Von Raban's Schüler Rudolf ist eine Schrift De reliquiis Sanctorum verfasst worden, die trotz ihrer Armut an historischen Nachrichten mehrfach unter dem Titel »Vita Rhabani Mauri« herausgegeben wurde (Vergl. Pothast Biblioth. hist. med. aevi S. 863), zuletzt bei Migne Tom. CVII, 39-68; über den Character derselben orientiert wohl am besten der unten folgende Auszug.
Die Annalen des neunten Jahrhunderts liefern nur eine sehr geringe Ausbeute für die Geschichte Raban's. Bedeutender sind für dieselbe die Concilienacten.
Aus der neueren Literatur verzeichnen wir außer den bei Otgar aufgeführten Werken noch folgende: Schon vor länger als 350 Jahren erhob Trithemius in der Dedication seiner »Vita Rhabani Mauri« bei dem Mainzer Kurfürst Albrecht von Brandenburg mit Rücksicht auf Raban eine schwere Anklage gegen die deutsche Nation, welche die Verdienste ihrer großen Männer nicht genug würdige; wenn nun auch dieser vorwurf heute verstummen muss, so halten wir doch die jedenfalls interessante äusserung des alten Geschichtsschreibers einer Wiederholung an dieser Stelle für nicht unwert: Quis enim nostris maxime temporibus, ad haec tanta reperiatur idoneus, ut ea faciat litteraria perennitate reviviscere, quae per tot annos in oblivione mortalium constat permansisse. [Pudeat Germaniae pontifices innatae ut ita dixerim socordiae, qui vanitatibus dediti, et Dei honorem in sanctis negligunt, et decorem patriae turpi dissimulatione contemnunt.] Compatior infelicitati nationis meae Germanicae, cujus tanta est feritas animorum, ut neque suos recte noverit instituere natos, neque eos qui sese moribus et doctrina caeteris praestantiores exhibere studuerunt, condignis laudum et meritorum titulis consueverit honorare. Ab eo namque tempore, quo sanctus archipraesul Rabanus migravit ad Christum usque ad ordinationem tui pontificatus reverendissime praesul Alberte, Moguntiacensis ecclesiae archiepiscopi exstiterunt numero, si recte memini, quinquaginta, e quibus Rabani, sanctissimi viri, memoriam nullus revocavit ad mentem, nomem ejus posteritati notum facere nullus eorum attentavit. Tibi reservatum est hoc sanctum opus Christianorum etc.

Verzeichnisse der Schriften Rabans finden sich bei Trithemius, Liber de scriptoribus eccl. 43b; Schunck, Beiträge. I, 439; Spengler, Leben des hl. Rhabanus Maurus. 122-129 führt Rabans Schriften in chronologischer Reihenfolge auf; Bibliographie universelle. XXXVI, 466 flgde. Literatur: Bach Nik., Hrabanus Maurus, der Schöpfer des deutschen Schulwesens. Fulda 1835. (Vergl. Zimmermann, Zeitschrift für die Alterthums-Wissenschaft. Bd. II, S. 636.) Bähr, Gesch. d. röm. Lit. im karol. Zeitalter. S. 415-447. Budaeus, De vita et doctrina Rabani. Jena. 1724. Colombel, Vita Hrabani Mauri primi Germ. praecept. Weilburg. 1856. Dahl, Rabanus M. erst Abt zu Fulda, dann Eb. v. M. in Schneider's Buchonia III, H. 2, S. 113-157. Fulda 1828. Dümmler. S. bei Otgar. (Sehr bedeutend.) Fabricius, Bibl. med. et inf. latin. ed. Mansi. VI, 25. Hefele, Concilieng. IV, 117 und anderwärts. Henschen, Comment. praev. in: AA. SS. Boll. 4. Febr. I, 512-522. Jung-Johann, De vita et doctrina Hrab. M. Jena. 1724. Ernst Köhler, Hrabanus und die Schule zu Fulda. (Leipziger Inaugural-Dissertation 1869.) Köhler, Beitrag zur Lebensgeschichte des Rabanus Maurus. in: Zeitschrift f. hist. Theologie. 1874. Heft 2. König Dr. F. Ueber Walafried Strabo v. Reichenau. in: Freiburger Diöcesan-Archiv. Bd. III S. 336-349. (Raban und seine Schule.) Kunstmann Fr., Hrabanus Magnentius Maurus. Mainz 1841. (Verdienstvoll, doch macht die schrift eine neue monographie über R. M. nicht überflüssig.) Mabillon, Rabani M. elogium hist. in: AA. SS. ord. S. B. IV., 2, 20 seqq. Neuerdings bei Migne tom. CVII, 9. seqq. Nicolai, Benedict, Gründer von Aniane und Cornelimünster. (Köln. Heberle 1865.) Palmer, Ein deutscher Schulmann vor tausend Jahren. in: Süddeutsch. Schulbote. 1856. Nr. 2-4. Schell, S. Hrabani Mauri de sacram. eccl. doctrina etc. Programm. Fulda 1845. Schneider, J. Dr., Buchonia. Zeitschrift f. vaterl. G. III, 2 S. 113 flg. Schuman,Die Missionsgeschichte der Harzgebiete. (Halle 1869) S. 119. 126. C. Schwartz, Zur Feier der tausendjährigen Erinnerung an Rabanus Maurus. Programm. Fulda 1858. Schwarz, Commentatio de Rabano Mauro, primo Germaniae praeceptore. Programm. Heidelberg. 1811. Spengler, Leben des hl. Rhabanus Maurus. Regensburg 1856. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen vornehmlich I, 176 flgde. Wiggers, Der Mönch Gottschalk. in Niedner's Zeitschrift für hist. Theol. 1854, 1855, 1857. Auszug aus der Translatio reliquiarum sub Rabano abbate Fuld. seu Vita Rabani abbatis ed. a Rudolfo presbytero.

I. Rabanus war der fünfte Abt des Klosters Fulda. Er zeichnete sich aus durch große Frömmigkeit sowie durch eine genaue Kenntniss der hl. Schrift, welcher er alle freie Zeit widmete. Besonderen Eifer gab er in der Erbauung von Kirchen kund, welche er mit Reliquien von Heiligen versah.
II. Die Reliquien des hl. Alexander wurden durch den Diacon Deusdona aus Italien nach Deutschland gebrachte. Wunder derselben.
III. Deusdona traf in Mainz mit einem Mönch aus Fulda zusammen, welcher jenen veranlasste, seinem Abt Raban Reliquien zu bringen. Ein Teil derselben ward auf dem Frauenberg aufbewahrt (835 Juli 29.)
IV. Im folgenden Jahr wurden wieder Reliquien nach Fulda gebracht. Diejenigen des hl. Venantius half Rudolf selbst zu Solnhofen (Suolenhus) (Eichstätter Diözese) abholen. Beschreibung der Reise über Holzkirchen (Holzkiricha) und Alttrüdingen (Truhtmuntiga) und der Verehrung, welche den Reliquien zuteil geworden. Wunder derselben.
V. Fortsetzung der Beschreibung der Reise, auf welcher Herrieden (Hassarodt), Hammelburg (Hamalunburg), Wolfsmünster (Baugulfi cella) berührt ward. Raban kam ihnen an einem Fluss entgegen, den sie überschritten. Am nächsten Tag wurden sie in Lihtolvesbach von den Einwohnern begrüßt und als sie in Fulda eintrafen, wurde ihnen ein feierlicher Empfang zuteil. Die Reliquien des hl. Venantius wurden von dem Chorbischof Reginbald in der Kirche Johannis des Täufers beigesetzt.
VI. Am 5. April 838 wurde wieder eine große Anzahl von Heiligenreliquien dem Abt Raban aus Italien überbracht. Später trafen noch mehr Reliquien ein, denen drei Priester entgegengeschickt wurden. Rudolf und andere Mönche wurden beauftragt, Reliquien nach Holzkirchen (Holzkiricha) zu bringen, auf welcher Reise sie in Bischofsheim (Biskofesheim) übernachteten. Im Kloster Zellingen (Zellinga) am Main fanden sie feierliche Aufnahme. Am 25. Juli trafen sie in ihrem Kloster ein und setzten die Gebeine in der Kirche des hl. Bonifatius nieder.
VII. Am 25. Oct. wurden die Gebeine der heiligen Januarius und Magnus in Gegenwart des Bischofs Humbert von Würzburg in Holzkirchen beigesetzt u. die Stätte mit einer Aufschrift in Versen versehen. Die durch die Reliquien bewirkten Wunder werden erzählt.
VIII. Die Kirche zu Rasdorf (Rathesdorph), welche Raban erbaute und reichlich ausschmückte, ward mit Reliquien von Heiligen versehen. Dieselben erhielten eine metrische Aufschrift. Die Kirche auf dem Petersberg bei Fulda, welche Raban erbaute, wurde auf Befehl des Erzbischofs Otgar von Mainz durch dessen Chorbischof Reginbald geweiht und am 28. September mit Reliquien von Heiligen versehen. Eine metrische Inschrift gab Aufschluss über dieselben. Auch die Kirche des hl. Bonifatius ward mit vielen Reliquien ausgestattet und zwar wurden dieselben in einem steinernen Turm aufbewahrt, der auf den vier Seiten Inschriften trug.
IX. Nachdem Raban dem Kloster Fulda zwanzig Jahre vorgestanden (822-842), zog er sich auf den Petersberg zurück, um sich ausschliesslich den Studien zu widmen. 

Namsformen: Rabanus, Rabbanus, Rhabanus, Hrabanus, Rabonus, Hereban.

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Zitierhinweis:

BW, RggEbMz 06 Nr. 001a, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/21642 (Zugriff am 28.03.2024)