Böhmer/Will, Regesten (706-1288)

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BW, RggEbMz 34 Nr. 001a

Datierung: 1249-1251

Quelle

Ohne Aussteller, Empfänger und Empfangsort

Archiv: Böhmer/Will, Regesten

Weitere Überlieferung:

Böhmer/Will, Regesten S.XLVI-LV

Geographische Bezüge:

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Inhalt

Kopfregest:

Einleitende Bemerkungen von Böhmer/Will zu Erzbischof Christian II.

Vollregest:

Als von dem dritten Dezennium des vorigen Jahrhunderts an die Erforschung der Mainzer Geschichte mit großem Eifer betrieben wurde, beklagten es einige der vorzüglichsten Historiker jener Zeiten lebhaft, dass die Herkunft des Erzbischofs Christian II. vollständig dunkel sei, doch gaben sie sich der Hoffnung hin, dass über diesen Punkt Licht werde verbreitet werden, wenn einmal der Zugang zu dem Metropolitan-Archiv gestattet sein werde. So sagt Joannis (1722), R. M. I, 605: »Quo vero stemmate natus fuerit, erui usque haud potuit. Quamvis enim in tabulis publicis saepius qua praepositus S. Victoris, Cantor item, decanus, ac praepositus aedis maioris occurrat, occurrit tamen solo semper praenomine. Interim vix dubium est, quin ex ἀρχείῳ metropolitano in lucem id protrahi queat, si modo viro cuidam rerum perito facultas daretur, quae huc faciunt, tabulas, chartasque inspiciendi.« Gudenus (1728), Sylloge. 36 bemerkt nicht ohne Bitterkeit: »... nobisque iam ab an. MCCXVI sub nudo Christiani nomine continuo fuit obvius; tamen in hunc usque diem latere in occulto maluit potius, quam stemmatis sui clarissimi copiam nobis facere. Admiranda res! per integrum seculi XIII decursum vix ullus occurrit in Germania episcopus, cuius natales decantati non sint, et tamen supremi electoris ecclesiastici cognomen nondum potuit exquiri. Meritorium sane opus facturus esse mihi videbar, pavidam huius archiepiscopi umbram insequi tam diu, donec apprehensa, intueretur propius, recognoscereturque: Neque etiam spem omnem abiecissem ego, quin, si non directe, indirecte saltem, et praememoratorum VI vel VII recuperatorum adinstar, explorarem ipsum; dummodo aditus ad Archivum metropolitanum, quod temporibus nostris carceri perpetuo comparari vere potest obsecratori concessus fuisset.« Und im Codex diplomaticus I, 607 gibt Gudenus (1743) seiner Klage wiederholten Ausdruck, indem er sagt: »Ac sane vix capi, nec excogitabilis reddi potest ratio, quare nulla prorsus Stemmatis gentilitii mentio uspiam fiat in tam excelsi fastigii Principe Electore, illo in primis tempore, quo aliorum Ordinis Ecclesiastici Principum, haud intrusorum, familias annotare, usitatissimum iam fuerat.« etc. Übrigens vermutet Gudenus an der letztzitierten Stelle, dass Erzbischof Christian jedenfalls dem hohen Adel angehören müsse, da ihn Werner von Bolanden seinen Verwandten (cognatum) nenne. Schunck, (Beiträge zur Mainzer Geschichte. IV, 458), Dahl, (Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde. II, 329) und andere gingen noch weiter, indem sie Christian als einen Abkömmling der Herren von Bolanden bezeichneten (so noch Cohn in den Stammtafeln z. G. d. deutschen Staaten. Tafel 38 und neuestens Ulysse Chevalier in seinem Répertoire des sources du moyen-age), was in bezug auf die Deszendenz in männlicher Linie jedenfalls, und hinsichtlich der Abstammung von mütterlicher Seite höchst wahrscheinlich ein Irrtum ist. Endlich widmete Bär, Beiträge zur Mainzer G. (I. Stück. Diplomatischer Versuch einer Genealogie Christian's II.) der Abstammung Erzbischof Christians eine umfassende Untersuchung und seine Mühe war von gutem Erfolg gekrönt. Mit erstaunlichem Fleiß suchte er die feinsten Fäden auf, um durch scharfsinnige Kombinationen die Abstammung des Erzbischofs Christian II. festzustellen, möglichst zahlreiche Glieder der Familie aufzufinden und namentlich auch die Verwandtschaft derselben mit den Dynasten von Bolanden sowie den durch dieselben bedingten Erbfall von Besitzungen der Weisenauer an die Bolanden aufzuklären, worauf wir noch zurückkommen werden. Indem wir die von Bär auf weitschweifigen Wegen erzielten Resultate zusammenfassen, glauben wir manche derselben durch neue Beweismittel unterstützen und auf einige bis jetzt unbekannte Momente aufmerksam machen zu können. (Vergl. unten Tafel IV und V).

In bezug auf einen sehr wichtigen Punkt, nämlich wer Christians Großvater gewesen, müssen wir den von Bär aufgestellten Stammbaum aufgrund einer erst neuerdings hervorgetretenen Urkunde berichtigen. Auch finden wir in derselben eine Andeutung hinsichtlich der Herkunft Giselas, der Großmutter Christians. In einem Erbschaftsvertrag nämlich, den Mainzer Bürger zwischen 1143‒1153 beurkunden (Baur, Hess. Urkunden. II, 16 und Stumpf, Acta Mag. saec. XII. S. 54), überlassen der Ministeriale und Bürger Arnold und dessen Frau Geba den drei Brüdern Dudo, Meingot, Hartwin, Ministerialen und Bürgern (ministerialibus et concivibus nostris) Güter zu Nieder-Olm unter näheren Bestimmungen. Auf gleiche Weise sollen die genannten drei Brüder auch die Besitzungen erhalten, welche den genannten Erblassern zu Ober-Olm gehören, doch wird dabei bemerkt: nati autem Dudoni non succedunt in hac bonorum parte, nisi quos de Gisela uxore sua genuit. Hiernach besteht also kein Zweifel, dass Dudo II., und nicht sein Bruder Hartwin I., wie Bär a. a. O. § XIII ausführt, der Gemahl Giselas, der Vater Dudos III. und Embrichos III. und Großvater Erzbischof Christians II. war. Dass diese Gisela aber dem Mainzer Ministerialengeschlecht entsprossen war, dem die Erblasser Arnold und Geba angehörten, ersieht man deutlich genug aus der von jenen bezüglich der Erbfolge in ihren Gütern zu Ober-Olm angeführten Klausel. Soweit ist also ihr Geschlecht wenigstens nicht mehr »ganz verborgen«. (Bär a. a. O. 109). Da nun aber Dudo II. der Gemahl Giselas war und dieselbe nach dem von Bär a. a. O. 130 beigebrachten Urkundenextrakt zugleich mit ihren Söhnen Dudo und Embricho und ihrem zweiten Gemahl Reinbodo (Dudo Camerarius et Embricho frater eius, Gisela mater illorum et Reinbodo maritus eius secundus) eine Schenkung an das Kloster Eberbach macht, so ersieht man daraus, dass Giselas erster Gemahl Dudo II. früh gestorben ist. Dies konnte freilich Bär aus der zuletzt angeführten Urkunde nicht schließen, da er ja Hartwin für den Gemahl Giselas hielt, und so kam es, dass er S. 88 das Verschwinden Dudos II. aus den Mainzer Urkunden nach der Absetzung Erzbischof Heinrichs durch die Annahme eines gespannten Verhältnisses desselben zu Erzbischof Arnold erklären zu können glaubt.

Christian gehörte also offenbar keiner Familie des hohen Adels an, sondern einem Mainzer Ministerialengeschlecht, das aber durch Besitz und die öffentliche Stellung der Kämmerer[1]- und Viztumwürden ausgezeichnet und über dem andern niedern Adel erhaben war. Hierauf dürfte auch der Umstand hindeuten, dass Papst Honorius II. in einem Breve von 1227 März 2 (Würdtwein, N. subs. IV, 145) Christian zuvörderst als honestus morum bezeichnet und seine litterarum scientia hervorhebt und dann erst seine nobilitas generis rühmt.

Mag auch die Annahme Bärs, dass durch Verheirathung des Mainzer Kämmerers Dudo III. mit einer Tochter aus dem bolandischen Geschlecht die Herrschaft Weisenau[2], nach welcher zuerst die Brüder unseres Erzbischofs Christian, Dudo IV. und Embricho V. den Namen führten, an diese Familie gekommen sei, der Begründung entbehren; so verdient doch seine a. a. O. Note V, Seite 111‒116 ausgeführte Hypothese, dass unser Erzbischof dem Geschlecht »von Jude« angehöre und dass dasselbe mit demjenigen »von Weisenau« identisch sei, Beachtung. Vermutlich ein Vetter unseres Erzbischofs, Helfericus, nennt sich anfänglich de Wizenouwe, später Jude [3], was darin seinen Grund hatte, dass nach dem kinderlosen Hintritt der Kämmerer Dudo IV. und Embricho V. und ihres Bruders, nämlich Erzbischof Christians, die Herren von Bolanden in den Besitz der Herrschaften Weisenau, Laubenheim und Essenheim gelangten. (Bär, a. a. O. 111 flgde.)

Der Reichtum Dudos III. wird ausdrücklich durch eine Urkunde des Abts Sigerus von St. Maximin von 1147 bezeugt, in welcher dieser sagt:  ... qualiter dives quidam Ministerialis S. Martini in Maguntia Dudo nomine volens prodesse monachis, qui sunt in Eberbach. (Vergl. Bär a. a. O. 133). Auch besaß Dudo eigene Dienstmänner und Vasallen. Schon durch Erzbischof Christian I. erhielt er das Kämmereramt, in welchem er von 1168‒1197 häufig in Urkunden unter den Zeugen vorkommt. (Gudenus, C. d. II, 465; Bär, a. a. o. 53: Stumpf, Acta Mag. 88, 95, 106, 149). Besonders stand er bei Erzbischof Konrad von Wittelsbach, den er auf seinem Kreuzzug im Jahre 1197 begleitete[4], in hohem Ansehen. (Vergl. Joannis, Rerum Mogunt. II, 651.) Hier darf endlich nicht unbemerkt bleiben, dass Papst Honorius III. in seiner Bulle von 1227, März 2 (Würdtwein, Nova subs. IV, 145) die nobilitas generis Christians ausdrücklich betont.

Am meisten wurde das Ansehen und der Einfluss der Familie unseres Erzbischofs Christian jedenfalls durch deren verwandtschaftliche Verhältnisse zu den Dynastenhäusern Bolanden und Eppstein gefördert. Die erstere Verwandtschaft bezeugt der Erzbischof selbst, indem er in einer Urkunde für St. Victor zu Mainz von 1220 Juli (Joannis R. M. II, 595) sagt: ... quoddam feodum in Winkela in manus cognati nostri Wernheri de Bolandia, quoniam eodem ab ipso infeodati fuerant, [Dudo, Symon], resignarunt, predictus quoque cognatus noster Wernherus, cum feodum prenominatum haberet a nobis. In der Resignationsurkunde Werners III. von Bolanden von demselben Datum (l. c. 596) heißt es dann ebenfalls:  ... Nos quoque .. cognato nostro Christiano, ecclesie S. Victoris Preposito .. resignavimus idem feodum. Die ganz gleichen Bezeichnungen wiederholen sich in zwei ähnlichen Übergabeurkunden eines Lehens durch Werner von Bolanden an den Propst Christian von St. Victor. (Joannis l. c. 598 u. 599.)
Endlich geht aus einer Erbschaft, welche die Bolanden von den Weisenauern antraten, das Bestehen eines verwandtschaftlichen Verhältnisses der beiden Familien zueinander deutlich hervor. Werner III. und Philipp III. von Bolanden ererbten nämlich den Besitz ihrer Vettern Dudo IV. und Embricho V. von Weisenau. Durch einen Vertrag, welcher zwischen den Vettern Werner IV. und Philipp IV. von Bolanden-Falkenstein einerseits und Philipp IV. (von Bolanden-Hohenfels) andererseits am 25. März 1235 abgeschlossen wurde, ging dann die ganze Herrschaft Weisenau an Philipp von Hohenfels über.
In einer Urkunde Philipps von Hohenfels von 1260, Oktober 15, durch welche derselbe zu Weisenau zwei Häuser an einen gewissen Pleban Nicolaus verkaufte, geschieht auch eines Hauses »Christiani bone memorie« Erwähnung. Hier handelt es sich offenbar um einen Besitz des Erzbischofs Christian II.

Obgleich es uns etwas fern liegt, die Spuren des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen den Bolanden und den Weisenauern zu verfolgen, so wollen wir doch zur Erläuterung des Stammbaums der letzteren nur auf die den obigen Erbfall bedingende verwandtschaftliche Beziehung hinweisen. Es besteht nämlich, nachdem die früher allgemein herrschende Ansicht, dass Guda, die Gemahlin Werners II. von Bolanden, eine Tochter Gerhards, des letzten Grafen von Nürings, gewesen sei, aufgegeben wurde (vgl. Sauer, Die ältesten Lehensbücher der Herrschaft Bolanden 69; Draudt, Die Grafen von Nüring. in: Forschungen zur deutschen Geschichte. XXXIII, 392, note 1), eine Kontroverse in bezug darauf, ob die fragliche Guda, auf welche die oben auseinandergesetzte Erbschaft zurückzuführen ist, eine Schwester Werners II. von Bolanden, also eine Großtante Werners III. und Philipps III., und dann als Gemahlin des Weisenauers Dudo III. die Mutter der Erblasser Dudo IV. und Embricho V. (der Brüder Erzbischof Christians) gewesen; oder ob Guda dem Geschlecht der Weisenauer entsprossen, die Gemahlin Werners II. von Bolanden und somit Großmutter Werners III. und Philipps III. von Bolanden (als von Falkenstein II) war. Die erstere Ansicht ist die ältere und fand ihren vorzüglichsten Vertreter an Bär in den Beiträgen zur Mainzer Geschichte. I. Stück. Neuerdings haben sich mehrere Forscher für die andere Meinung entschieden. So Schaab, Weisenau und Hechtsheim. in: Archiv für hess. Geschichte. II, 23 flgde; G. Schenk z. S. Verbesserte Tafel zur älteren Geschichte des Reichsministerialengeschlechts von Bolanden. in: Correspondenzblatt des Gesammtvereins. 1876, nr 2, S. 13 flgde; Sauer, a. a. o. 70 und 71. Wenn nun auch die Herkunft Gudas aus der Familie der Weisenauer große Wahrscheinlichkeit für sich hat, so sind wir doch der Meinung, dass mit den vorhandenen Materialien die besprochene Streitfrage wohl nicht mit Sicherheit entschieden werden kann und wir glauben demgemäß Lehmann beistimmen zu sollen, welcher in: Geschichte der pfälzischen Burgen. IV, 54 den »Geschlechtsnamen der Guda als unbekannt« bezeichnet.

Die Verwandtschaft Christians mit den Eppsteinern betont Papst Innocenz IV. in der Bulle für Erzbischof Siegfried III von 1246 Januar 10, indem er ihn als »consanguineus« des letzteren bezeichnet.

Von früher Jugend an gehörte Christian zur Mainzer Kirche, wie er selbst in der Urkunde von 1251 Mai 15 sagt:  ... ecclesia Maguntina, que nos ab annis adolescentiae nostre tanquam mater pia delicatis alimoniis enutrivit. Gudenus I, 616. In der Mainzer Chronik aber wird erzählt: ... eligunt suum praepositum, nomine Christianum, qui a cunabulis fuerat in ipsa ecclesia enutritus.

Bei der hohen Stellung, welche unseres Christians Vater in Diensten der Mainzer Erzbischöfe Christian I. und Konrad I. einnahm, konnte es nicht fehlen, dass er schon in sehr jungen Jahren mit Würden und fetten Pfründen ‒ »delicatis alimoniis«, wie er an der eben angeführten Stelle selbst sagt ‒ ausgestattet wurde. Dies begreift sich um so leichter, wenn man sich für überzeugt hält, dass er den Erzbischof Christian I. zum Taufpaten hatte.

In der Tat hat die Hypothese Bärs a. a. O. 10, Note d, dass Christian seinen im Rheinland übrigens sehr selten vorkommenden Namen[5] von Erzbischof Christian I. erhalten habe, unter dessen Pontifikat er wohl geboren wurde, viel Wahrscheinlichkeit für sich.

Am frühesten begegnen wir Christian als Propst zu St. Victor und zwar zugleich mit seinem Bruder Embricho in einer Urkunde des Jahres 1207 für das Kloster Eberbach (Bär a. a. O. 122 und 15 flgde. wo unter anderem ausgeführt wird, dass auf dem Bruchstück des Siegels, welches »einen Geistlichen in einem langen, enge anliegenden Kleid und ein Buch in der Hand« darstellt, noch deutlich »C.R.J.S.T.A.N.« zu lesen sei. Außerdem wird gründlich dargetan, dass Christian nicht früher als im Jahr 1207 Propst von St. Victor wurde). In folgenden Urkunden Erzbischof Siegfrieds I. erscheint Christian bald im Text, bald unter den Zeugen, bald an beiden Stellen: 1210 Dez. 18, 1210, 1211 Nov. 1213 Mai 10 u. 20, 1215 vor Nov. 11, 1216 Oct. 31, 1217 zugleich Domkantor, 1218 April 15, 1219 Aug. 9, 1227 Septbr. 22 zugleich Domdechant, 1246 Jan. 16 in einer Bulle Papst Innocenz' IV. an Erzbischof Siegfried III. zugleich mit der Bezeichnung »Dompropst«.

Durch Bulle vom 1227 März 2 gestattet ihm Papst Honorius III., ut preposituram sancti Victoris et de Undenheim et de Gensen ecclesias una cum Decanatu valeas retinere. Würdtwein, N. subs. IV, 145.

Zu der Würde eines Propstes von St. Victor gesellte Christian schon ziemlich früh (vor 1211) diejenige eines Propstes von St. Maria im Feld, wie aus einer Siegelumschrift hervorgeht, welche Bär a. a. O. 10 nach dem verstümmelten Original: »CRJS.S.AN ... MARIEīCP.MA« (Cristianus Prepos. S. Victoris et Marie in Campis Maguntiae.) mitteilt. Da nun aber bereits im Jahr 1219 als Propst von St. Maria ein »Alatrinus« vorkommt (Gudenus, C. d. II, 750), welchen Bär für einen Römer hält (S. 16 note r nnd S. 22 note d.), so ist anzunehmen, dass Christian seine eben besprochene Propstei aufgab, als er Kantor im Dom wurde (1217).

Ferner verband Christian mit dem Amt eines Propsts von St. Victor auch dasjenige eines Domkantors in Mainz und zwar erscheint er in dieser doppelten Stellung unter den Zeugen einer Urkunde des Erzbischofs Siegfried II. von 1217.[6] Dann kommt er nur mit der Bezeichnung »Cantor« unter den Zeugen folgender Urkunden Erzbischof Siegfrieds II vor: 1218 Febr. 11, Juni 13 und ohne Tagesdatum; 1219 April 25, Mai 23, Oct. 16, Nov. 19; 1220 Juli 29. Endlich schreiben die Kanoniker von St. Martin zu Tours in einem Briefe an das Domkapitel zu Mainz: Sicut ex Vestris litteris, per Venerabilem virum Cristianum, Cantorem vestrum directis nobis innotuit. Gudenus, C. d. I, 476.

Als Domdekan wird Christian zuerst unter den Zeugen einer Urkunde der Mainzer Richter von 1223 März 10 aufgeführt. (Joannis l. c. II, 299.) Dann kommt er als solcher vor unter den Zeugen der Urkunden Erzbischof Siegfrieds II. von 1223 Dez. 19, 1224 Jan. 28, 1226 vor Sept. 30, 1227 Sept. 22 (wo er aber auch als Propst von St. Victor aufgeführt wird), 1230 März 11 und in der Urkunde Erzbischof Siegfrieds III. von 1235 Juli 23. Papst Honorius III. schreibt 1227 März 2 an ihn als »Dilecto filio C. Decano Magunt.« (Würdtwein, N. subs. IV, 144; Potthast, Reg. pontif. Nr. 7674; Böhmer, Reg. Honorii III. S. 331 mit dem unrichtigen Datum März 10.)

Zur Würde eines Dompropsts gelangte Christian als Nachfolger des am 10. Nov. (4 idus Novemb. im Necrol. maj. eccl. Mog. bei Joannis R. M. II, 273 und 488), nicht aber am 12. des Weinmonats 1235 ‒ wie Bär a. a. O. Note 5 bemerkt ‒ verstorbenen Propstes Gerbodo, wohl erst im Jahr 1236.[7] Denn in diesem Jahr tritt Christianus praepositus maioris ecclesiae Magunt. als Zeuge in einer Urkunde des Metropolitankollegs auf. (Joannis l. c. II, 274.) In gleicher Eigenschaft findet er sich in Urkunden Erzbischof Siegfrieds III. von 1236 Juli 31 und von 1239 (S. unten Nr. 223 und 332). In den Bullen Papst Innocenz' IV. von 1246 Jan. 10 und 1247 Mai 3 wird er zugleich Propst von St. Victor und Dompropst genannt. (S. unten Nr. 552 und 599). Die Urkunde Erzbischof Siegfrieds III. von 1247 Nov. 10 (S. unten Nr. 616) ist gerichtet C(hristiano) preposito, S. custodi, totique capitulo moguntino.
Ein Zeugenverhör (1238 Juni 3) in einem Rechtsstreit zwischen dem Kloster Eberbach und der Kirche St. Alban siegelt der Erzpriester Bertold von Dornheim auctoritate domini Christiani maioris prepositi Maguntini. (Baur, Hess. Urkunden. I, 17.)
‒ Im Jahr 1239 stellte Christian zwei das Kloster Eberbach betreffende Urkunden aus und zwar einmal als prepositus maioris ecclesie Maguntine, das anderemal als maior prepositus Maguntinus. (Bär, Beiträge zur M. G. 135; Baur, a. a. o. 18.)[8]

Endlich sind noch zwei historische momente von Bedeutung zu erwähnen, in welchen Christian als Mainzer Dompropst erscheint. Auf der großen Versammlung zu Mainz am 25. Juli 1233 wurde Graf Heinrich von Sayn durch Konrad von Marburg der Ketzerei angeklagt, allein das Urteil blieb ausgesetzt, weil sich der decanus Moguntinus nebst vielen anderen Klerikern erboten, die Sache des Angeklagten bei dem Papst selbst zu vertreten. Die genannten Kleriker begaben sich sofort unter Führung des Mainzer Domdechants nach Rom und bewirkten die Freisprechung Heinrichs von Sayn. (Vgl. bei Siegfried III. Nr. 99.) Im folgenden Jahr (1234) trug dann Papst Gregor IX. durch Bulle vom 22. November dem Dekan und dem Scholaster von Mainz auf, die Gläubigen zu einem Kreuzzug aufzufordern (Würdtwein, Nova subsid. VI, 51). Wenn nun auch weder in der Nachricht von der Reise des Mainzer Dechants nach Rom, noch in dem Schreiben des Papstes an diesen der Name desselben genannt ist, so kann doch nicht der leiseste Zweifel bestehen, dass in beiden Fällen unser Christian gemeint ist.

Obgleich die Wahl Christians von verwickelten Vorgängen begleitet war, so erfolgte sie doch ziemlich rasch. Klerus und Volk von Mainz hatten sich nämlich in dem Wunsch geeinigt, dass Erzbischof Konrad von Köln auch das Erzbistum Mainz übernehmen solle (Vergl. Cardauns, Konrad von Hostaden 27 und Regesten Nr. 226) und zu diesem Zweck schickten sie durch Boten ein Schreiben an den Papst. Derselbe ließ es sich angelegen sein, die bevorstehende Wahl zu einem raschen Ziel zu führen und schickte alsbald zwei Schreiben ab, eines an den Bischof Heinrich von Straßburg und eines an das Mainzer Domkapitel, aus welchen sich sein Standpunkt in der Wahlangelegenheit deutlich ergibt. Wir halten beide Briefe für wichtig genug, um sie ihrem Wortlaut nach, soweit derselbe nach den Publikationen von Höfler bekannt ist, hier mitzutheilen.

Episcopo Argentinensi. Quum dilectis filiis ... decano et capitulo Maguntino nostris demus litteris intimantes, ut ecclesie Maguntine de pastore idoneo cum tuo consilio et assensu infra mensem, postquam super hoc duxeris commonendos eos, canonice providere procurent, iniuncto tibi per alias literas, ut, si dicti decanus et capitulum id efficere forte neglexerint, tu extunc personam, que tanto oneri congruat et honori, prefate Maguntine ecclesie auctoritate nostra preficias in pastorem volumus et presentium tibi auctoritate mandamus, quatenus prefatis decano et capitulo de dilecto filio ... electo Spirensi, quod ipsum postulent, consilium tribuas et consensum, ipsumque, si forsan illum postulare omiserint, eidem ecclesie in archiepiscopum, absolvendo eum a vinculo quo Spirensi tenetur ecclesie, auctoritate nostra preficere non postponas. Contrad. etc. IV. nonas Maii.

Decano et capitulo Maguntinensi. Litteris et nuntiis vestris solita benignitate receptis, illarum continentiam et que nobis ex parte vestra iidem nuntii retulerunt intelleximus diligenter devotionem vestram super eo quod nobis humiliter supplicastis: ut Maguntinam ecclesiam, nunc pastore vacantem, venerabili fratri nostro Coloniensi archiepiscopo, propugnatori ecclesie indefesso, commendare, ut illius curam gereret, curaremus; cum tanto melius posse ipsam regere videretur, quanto amplius per Coloniensem ecclesiam eius valeret oportunitatibus subvenire multipliciter in domino commendantes. Sane quia est penitus insuetum ut due archiepiscopales ecclesie tam honorabiles tamque sublimes unius regimini committantur, et si forsan fieret, omnino indecens appareret, vestris in hac parte supplicationibus non duximus annuendum. Verum quia nolumus ut predicta Maguntina ecclesia diu pastoris solatio careat, ne per longam vacationem gravia in spiritualibus et temporalibus subeat detrimenta, mandamus, quatenus ipsi ecclesie de pastore idoneo cum consilio et assensu venerabilis fratris nostri Argentinensis episcopi, infra mensem postquam idem episcopus vos duxerit commonendos, canonice providere curetis. Alioquin eidem episcopo litteris nostris iniungimus, ut ex tunc personam, que tanto oneri congruat et honori, prefate Maguntine ecclesie auctoritate nostra preficiat in pastorem. Contrad. Datum ut supra.

Vollständig im Einklang mit diesen beiden Briefen stehen die Berichte zweier Quellen hinsichtlich des abschläglichen Bescheides, welchen der Papst in bezug auf die beabsichtigte Übertragung des erzbischöflichen Stuhles von Mainz auf den Erzbischof von Köln erteilte. Die Annales Sti Pantaleonis erzählen: Clerus autem et populus Moguntini pastore destituti in tante tempestatis turbine, celeri et sano usi consilio, oculos suos dirigentes in archiepiscopum Coloniensem ipsum unanimiter et concorditer in suum archiepiscopum postularunt. Qui Coloniensis archiepiscopus super morte archiepiscopi animo dolens, ad regem properat, exceptusque a clero et populo Moguntinis cum incredibili affectione et reverentia tamquam defensor patrie desideratus gratias egit lepide singulis et universis; in neutram tamen partem vir constans et circumspectus declinavit, nec oblatum honorem admittendo nec refutando mentem domini pape super hoc censuit requirendam. Dominus autem papa, licet a nuntiis viduate ecclesie solerter et sollicite pulsaretur, decrevit in tali necessitatis articulo duas personas in tam famosis sedibus archiepiscopatuum sancte ecclesie plus valere quam unam, persuasitque Coloniensi suo consilio acquiescere. Ann. Sti Pantal. in: Böhmer-Huber, Font. IV, 491; M. G. SS. XXII, 545. Dann berichtet Christian in seinem Chron. Mogunt. Convenerunt ergo fratres de capitulo Maguntino tractantes de patre spirituali, qui posset ipsam tot et tam gravibus oppressam miseriis, et tanto tempore iam plorantem, paternis affectibus consolari, et concorditer in venerabilem virum dominum Cononem Coloniensem archiepiscopum vota sua transtulerunt, postulantes a sede apostolica, ipsum sibi prefici in pastorem. Sed heu heu, hoc non poterat obtineri. Non est hec postulatio admissa, sed electio capitulo restituta. Et ne archiepiscopus Coloniensis egre ferret suum desiderium non completum, ipsi legationis dignitas est commissa. Chron. Mog. in: Böhmer, Font. II, 269; Jaffé, Monum. Mogunt. 698; Monum. Germ. SS. XXV, 248.

Zu bemerken ist jedenfalls, dass weder von einem Einfluss des Bischofs von Straßburg auf die Mainzer Wahl, noch von der durch den Papst aufgestellten Kandidatur des erwählten Bischofs Heinrich von Speyer[9] in den beiden besagten Quellenberichten mit einem Wort Erwähnung geschieht. Dass der Wunsch des Papstes in unserer Wahlangelegenheit unberücksichtigt geblieben, zeigt der Ausgang derselben. Übrigens kann der Papst auch keine erheblichen Einwendungen gegen sie gemacht haben, da schon am Peter- und Paulstag die Bestätigung derselben durch seinen Legaten erfolgte. Wenn dieser Tag seither allgemein als der Tag der Erwählung Christians angenommen wurde, so ist dies ein Irrtum, welcher auf einer unrichtigen Auffassung des Wortlautes der Atelle in Christiani Chron. Mogunt. beruht: Consedere rursum fratres ecclesiae Moguntinensis, eligunt suum prepositum nomine Christianum, qui a cunabulis fuerat in ipsa ecclesia enutritus. Eadem die est a legato, qui tunc erat praesens, confirmatus et a rege regalibus investitus die Petri et Pauli. (Vergl. unten Nr. 1 und 2.) Denn das eadem die verbindet nicht das vorausgehende mit dem folgenden, sondern bezieht sich offenbar auf die an ein- und demselben Tag erfolgte confirmatio durch den päpstlichen Legaten und die investitura durch König Wilhelm.
Der Tag von Christians Konsekration ist nicht bekannt, doch muss sie nach Juli 4 stattgefunden haben, da er noch an diesem Tag als Cristianus Maguntinus electus eine Urkunde König Wilhelms siegelte. (Gruneri Opuscula. II, 122.)
Die Zeit, wann Christian das Pallium erhielt, ist nicht genau bekannt, doch lässt sie sich annäherungsweise bestimmen. Denn das an einer Urkunde von 1249 Dez. 4 (S. unten Nr. 12) hängende Siegel zeigt den Erzbischof noch ohne Pallium, während er auf dem Siegel seiner Urkunde von 1250 Febr. 14 mit demselben angetan erscheint. Wahrscheinlich fiel die Ausfertigung der Bulle, durch welche ihm das Pallium verliehen wurde, in den Anfang November 1249, da die Bulle, durch welche ihm Papst Innocenz IV. die Transferierung der Gebeine der heil. Elisabeth auftrug, am 4. Nov. dieses Jahres ausgefertigt wurde. (S. unten Nr. 11).

Über das Alter, in welchem Christian bei seiner Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl von Mainz stand, handelt ausführlich Bär a. a. O. 18 und gewinnt das Resultat, dass jener wohl im 66. oder 67. Jahre gestanden, als ihm die Mitra aufs alternde Haupt gedrückt ward. Die Annales Sti. Pantaleonis sagen ausdrücklich, dass er bei seiner Beförderung zum Erzbischof profecte aetatis gewesen sei. Wir zweifeln nicht, dass Christian nur ungern die schwere Bürde übernahm, welche ihm sein hohes Amt in Zeiten heftiger Kämpfe auferlegte und glauben den Ausdruck debuit im Chronicon Sampetrinum ed. Stübel. in: Geschichtsqq. d. Prov. Sachsen. I, 82. (... ecclesie, cui preesse debuit) in seiner wahren Bedeutung verstehen zu sollen, d. h. Christian bestieg nur mit Widerstreben den erzbischöflichen Stuhl, indem er unter den bestehenden Verhältnissen den in zwei Parteien sich gegenüberstehenden (in neutram partem vir constans et circumspectus [Conradus Coloniensis] declinavit. Ann. Sti Pantaleonis. Etiam qui negotio fuerant inimici, congratulantur ei Chron. Mog.) Wählern nachgab, vielleicht um die Erzdiözese in der Mitte des Jahrhunderts vor einem Schisma zu bewahren, wie sie beim Beginn des Jahrhunderts von einem solchen heimgesucht worden war. Wäre sein Streben dahin gerichtet gewesen, selbst den erzbischöflichen Stuhl zu besteigen, so hätte er sich wohl kaum der Postulation Erzbischof Konrads von Köln angeschlossen, was doch zweifelsohne der Fall war, da jene unanimiter et concorditer erfolgte, wie es im Chronicon Mogunt. heißt.

Geist und Wesen Erzbischof Christians II. ist leicht zu durchschauen und zu beurteilen. Nach dem Zeugnis Papst Honorius' III. in der Bulle von 1227 März 2 (Würdtwein, N. subs. IV, 145) war er geziert: honestate morum, litterarum scientia, nobilitate generis et ceteris probitatis meritis. Bei seiner Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl war er gewiss ein ehrwürdiger Greis, erfüllt von den Pflichten eines guten Priesters und gewohnt in Ruhe zu genießen, was ihm sein ererbter Besitz und seine fetten Pfründen seit vielen Jahren geboten hatten. In den Annales Wormat. wird er bei Gelegenheit seiner Parteinahme für Heinrich von Sayn auf der Versammlung zu Mainz (1233 Juli 25) als bonus clericus gerühmt (Böhmer, Font. II, 177 und M. G. SS. XVII, 39);  ... moribus et sobrietate conspicuus nennen ihn die Annales Sti Pantaleonis (Böhmer, Font. IV, 492 und M. G. SS. XXII, 545) und das Chron. Sampetr. (Geschichtsq. d. Prov. Sachsen. I, 82) rühmt ihn als fide et opere Christianum. (S. oben Nr 1).

Was Christians Parteinahme in den von heftigen Ausbrüchen begleiteten kirchlich-politischen Gegensätzen betrifft, so stand er entschieden auf Seiten des Papstes und seinen Sympathien für die Sache der Kirche gab er durch sein Auftreten tatsächlichen Ausdruck, sodass Innocenz IV. noch im Jahr 1254 in einem Schreiben an Erzbischof Gerhard I. demselben seinen Vorgänger als Vorbild der Anhänglichkeit an König Wilhelm zur Nachfolge empfehlen konnte. (Rogamus itaque fraternitatem tuam, monemus, et hortamur attente, per Apostolica tibi scripta mandantes; quatinus eundem regem pro nostra et apostolice sedis reverentia favorabiliter prosequens, ac honorans, eidem in omnibus que ad exaltationem et augmentum eiusdem imperii pertinent, predecessoris tui imitando vestigia, potenter ac patenter assistere non omittas; ut, sicut apud ipsum eminentioris dignitatis honore preemines, sic in exhibitione devotionis, et gratorum obsequiorum, ceteros Alemannie principes antecellas) Gudenus, C. d. I, 645.

Mitten in die heftigen Kämpfe zwischen König Wilhelm und König Konrad hineingestellt, welche im Sommer 1250 am Mittelrhein wüteten, musste er bald an dem Mord und dem Kriegsgetümmel, das er im Lager König Wilhelms in unmittelbarer Nähe wahrnahm, Überdruss bekommen, zumal da auch die Besitzungen seines Vetters Philipp von Hohenfels aus bolandischem Stamm durch das Heer, bei welchem er sich befand, gebrandschatzt und durch Feuer zerstört wurden und die Scharen König Konrads die nächste Umgebung von Mainz, wozu auch Weisenau und das Stift St. Victor gehörten, furchtbar verwüsteten. Mit dieser gewiss nur auf persönlicher Anlage beruhenden, keineswegs aber aus Sympathie für die Staufer, »die nicht nur nicht erwiesen, sondern auch unwahrscheinlich ist« (v. d. Ropp, Erzbischof Werner von Mainz. S. 11, Note 10), hervorgehenden Abneigung Christians gegen den Krieg hing wahrscheinlich auch die Entlassung des Heeres König Wilhelms im Spätsommer des Jahres 1250 und seine Verhandlung mit König Konrad zu Oppenheim im Frühjahr 1251 zusammen. Die nächste Folge derselben war die Reise König Wilhelms zum Papst Innocenz nach Lyon, wo er schon zu Ostern (April 16) mit dem Erzbischof von Trier eintraf und aufs freundlichste empfangen wurde. Hier fielen offenbar die Würfel, welche das Schicksal Erzbischof Christians entschieden. König Wilhelm hatte gewiss alle Ursache, bei dem Papst darüber Klage zu führen, dass der alte und wohl an Körper wie an Geist schwache und der Ruhe bedürftige Erzbischof von Mainz seine und der Kirche Angelegenheiten nicht mit jener Kraft zu vertreten und zu fördern imstande sei, deren es in dem Kampf gegen den Staufer bedurfte. Gesteht es doch selbst das von dem größten Wohlwollen für Christian erfüllte Chronicon Moguntinum zu, dass derselbe der Teilnahme am Krieg sehr abhold gewesen sei und unter Hinweisung auf das Wort der Bibel: »Stecke das Schwert in die Scheide« sich nur zum Gebrauch des geistigen Schwerts bereiterklärt habe.

Vergegenwärtigen wir uns die Persönlichkeit Christians, wie sich dieselbe nach unserer Darlegung herausstellt, so bedurfte es gewiss keiner Gewalt, namentlich auch nicht von Seiten des Papstes, um den Mainzer Erzbischof zum Aufgeben seiner Würde, welche ihm doch nur als eine Bürde erschien, zu bewegen. Wir glauben also der historischen Wahrheit näherzukommen, wenn wir die Entfernung Christians von dem erzbischöflichen Stuhl eher als freiwillige Entsagung, denn als eine gewaltsame Absetzung oder Vertreibung ansehen. (Vgl. unten Nr. 52.)

In einem nicht gerade sehr vorteilhaftem Licht erscheint der Name Christians II. seit mehreren Jahrhunderten in der Literatur der Geschichtsquellen des Mittelalters, da man unserem Erzbischof beinahe ausnahmslos bis auf die neueste Zeit (so noch Riezler, Geschichte des Fürstlichen Hauses Fürstenberg. 1883. S. 93) den zweifelhaften Ruhm angedeihen ließ, ihn als den Verfasser des jüngsthin als »Liber de calamitate ecclesiae Moguntinae« in den xxv Band der M.G. SS. aufgenommenen Chronicon Moguntinum anzusehen. So groß das Unrecht ist, das man hierdurch dem Mainzer Kirchenfürsten angetan, so sind doch nur wenige Forscher einigermaßen zum Bewusstsein desselben gelangt, und dürfte der Tag der Sühne wohl jetzt erst gekommen sein, nachdem wir den Aufsatz: »Ueber den Verfasser des Chronicon Moguntinum« im historischen Jahrbuch der Görres-Gesellschaft II, 335‒387 veröffentlichten. Der erste Abschnitt unserer Studie handelt über die Handschriften und Drucke des Chronicon sowie über die Bezeichnung des Verfassers mit C, später mit Conrad, endlich mit Christian. Bezüglich der Handschriften haben wir nur nachzutragen, dass sich eine solche aus dem 15. Jahrhundert, welche bis jetzt nirgends erwähnt wurde, in einem seiner ersten Bestimmung nach als »Ordinarius sive Registrum presentiarum ecclesie Moguntine« bezeichneten Band auf der Seminarsbibliothek zu Mainz befindet. Der zweite Abschnitt liefert den Beweis, dass unser Erzbischof Christian II. nicht der Verfasser des Chronicon Moguntinum sein kann. Denn erstlich passt der Eingang der Schrift: »C presbyter, episcopali nomine indignus« gewiss nicht auf den Metropolitan von Deutschland, und was besonders das Wort »indignus« angeht, so kann dasselbe, wie angenommen zu werden pflegte, unter keinen Umständen einen nicht mehr in seinem Amt befindlichen geistlichen Würdenträger bezeichnen. Der letztere Umstand wird vielmehr stets durch »quondam« oder »olim« ausgedrückt, während das »indignus« in den verschiedensten Verbindungen zur Bezeichnung der Demut und Bescheidenheit eines Dieners der Kirche gebraucht wird. Ferner steht der gesammte Inhalt und Character des Chronicon mit dem Wesen des Erzbischofs Christian II. in grellstem Widerspruch, zumal da dasselbe die unverkennbarsten Merkmale einer ausgeprägten Tendenzschrift an sich trägt. Es kam offenbar eine tiefe Verstimmung über irgendwelche Vorkommnisse, ein Gefühl der Erbitterung, die unserem Erzbischof gänzlich fremd war, in dem historischen Elaborat zum Ausdruck, und wir glauben die Quelle desselben in Verhältnissen aufgefunden zu haben, die mit Christians Person und seinem Walten als Kirchen- und Reichsfürst auch nicht in der leisesten Berührung standen. Außerdem enthält das Chronicon, wie wir in unserem angeführten Aufsatz ausführlich dargetan haben, manche Stellen, die uns die Autorschaft Christians absolut unmöglich erscheinen lassen, wie auch verschiedene Ungenauigkeiten und Verstöße gegen die historische Wahrheit nachweisbar sind, welche kaum aus der Feder des Erzbischofs Christian geflossen sein können, der sein langes, gewiss gegen 70 Jahre zählendes Leben zu Mainz und im Dienst der Kirche daselbst zugebracht hatte. Freilich hätte der das ganze Schriftstück durchziehende Gedanke, dass Mainz ehedem glanzvoll, reich und glücklich gewesen sei, dass aber an Stelle der guten alten Zeit schon seit nahezu 100 Jahren außerordentlich schlimme Verhältnisse getreten seien, unter denen die Kirche noch immer seufze, wohl der Brust eines in hohem Alter stehenden Kirchenfürsten, der seiner Würde entsagte, entsteigen können; allein die Art und Weise, wie jene Klage durchgeführt ward, stand mit der Ruhe und Milde Erzbischof Christians in diametralem Widerspruch, und was dessen Entsagung betrifft, so war dieselbe eine freiwillige und ihm ohne Zweifel höchst erwünscht. Ohne auf einzelne Irrtümer und Fehler in der historischen Darstellung des Chronicons einzugehen, verweisen wir nur auf einige bedeutungsvolle Momente, welche uns zwingen, von der Autorschaft unseres Erzbischofs Christian gänzlich abzusehen. Hierher ist zunächst die bis zur Rohheit ausartende Geringschätzung, Schmähung und Verachtung des Mainzer Volkes, Klerus wie Laien, durch den Verfasser der Schrift zu rechnen.
In noch reichlicherem Maße schüttet derselbe die mit Gift und Galle gefüllte Schale über die römischen Kardinäle aus und die Legaten des päpstlichen Stuhls taucht er in einen Strom vorwurfsvoller Ergüsse. Fragen wir nach dem Grund dieses Unwetters leidenschaftlicher Erregung, welches sich in unserer Chronik gegen die obersten Diener der Kirche in so drastischer Weise entlud, so könnten wir dasselbe wohl in mancherlei Ursachen individueller Natur, wie etwa in dem Gefühl getäuschter Hoffnungen oder vereitelter Versprechungen suchen, welche sich an die Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls von Mainz durch päpstliche Legaten knüpften. Indessen scheint es uns, dass nicht sowohl rein persönliche Verhältnisse, als vielmehr sachliche und prinzipielle Motive bei der Abfassung unseres Chronikon massgebend waren. Ihnen verdankt dasselbe als eine gegen drohende Gefährdung ideeller Güter oder gegen vermeintliche Verkürzung der Interessen einer Korporation gerichtete Schutzschrift seinen Ursprung. Und in der Tat, wir glauben als eines der wichtigsten Resultate unserer Untersuchung im Hinblick auf das Verhältniss des deutschen Ordens zu dem päpstlichen Stuhl und zu dem Haupt der deutschen Kirche Aufschlüsse der besagten Art zu gewinnen.
Endlich müssen wir mit Nachdruck hervorheben, dass der Verfasser der Chronik unmöglich der päpstlichen Partei angehört haben kann und dass er vielmehr, wie man aus zahlreichen Indizien erkennt, ein Anhänger der kaiserlichen, ein Freund der Staufer war. In entgegengesetzter Richtung aber bewegten sich die Sympathien unseres Erzbischofs Christian, sodass eine Identifizierung desselben mit dem Mainzer Chronisten durchaus nicht statthaben kann.

Es erübrigt nur noch zu erwähnen, dass der Verfasser der Chronik, wie schon die Aufschrift derselben zeigt, offenbar einem Mönchs- oder Ritterorden angehört haben muss, was jedoch bei Erzbischof Christian II. notorisch nicht der Fall war. Somit glauben wir aufgrund zahlreicher Momente den Erzbischof Christian II von Mainz von dem Verdacht, das Chronicon Moguntinum verschuldet zu haben, freisprechen zu müssen.

Schließlich wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass unsere Studie auch zu einem positiven Resultat führte, indem wir den Beweis erbrachten, dass Weihbischof Christian von Lithauen der Verfasser des Chronicon Moguntinum war, und dass die vier Personen, an welche das Schriftstück gerichtet ist, dem deutschen Orden angehörten, dessen auf dem Streben nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit beruhende feindselige Gesinnung gegen Papst Innocenz IV. den Hintergrund bildet, von welchem sich das ganze mit scharfen Konturen des Hasses und der Erbitterung gegen die römischen Legaten und den Metropoliten von Deutschland gezeichnete Bild historischer Vorgänge abhebt.

Als Erzbischof führte Christian zwei verschiedene Siegel. Das eine zeigt ihn ohne Pallium und hat die umschrift: »† Christianus dei grã consecratus in archiepsp. Mog.« (Gudenus, C. d. I. 610 und Würdtwein, N. subs. III, praef. xliv und tab. XVIII.) Auf dem anderen, dessen Umschrift lautet: »† Christianus dei gra. sce Maguntine sedis archieps«, erscheint der Erzbischof mit dem Pallium (Würdtwein, N. subs. IV, praef. VIII und ad tab. XVIII).

Fußnotenapparat:

[1] Vgl. Dissertatio historica de iudicio seculari Moguntino, vulgo Cammer-Amt u. Stadt-Gericht. In: Gudenus, C. d . II, 435 flgde. L.c. I, 31 ... , camerarius urbis Moguntinae : idem ac praeses iudicii civici; officium perdurans sub camerarii titulo adhuc. Des weltlichen Gerichts Cämmerer. Hierzu Hegel, Verfassungsgeschichte von Mainz. 30. (Chroniken von Mainz. Bd II, Abth. 2). Der Stadtkämmerer war im allgemeinen der Stellvertreter des Erzbischofs in dessen Beziehungen zur Stadt, wie in Köln der Stadtvogt, 52-55.

[2] Eine überaus schätzbare Kunde über Weisenau enthält das merkwürdige von Stumpf, Acta Mogunt. saec. XII, S. 114‒117 zum ersten Mal herausgegebene Schriftstück Erzbischof Konrads von Wittelsbach, in welchem dieser den trostlosen Zustand der Mainzer Kirche schildert, als er zum zweiten Mal in den Besitz derselben trat (1187‒90). Hier heißt es: Oppressa etiam fuit [ecclesia Mog.] per novas municiones, sicuti fuit Wizenowe, quam Tuto tunc camerarius eidificaverat et regio dominio subdiderat. Und weiter unten: Municionem etiam in Wizenowe de manu domini imperatoris Tutoni camerario restitui fecimus eo tenore, quod nunquam de cetero a dominio ecclesie aligenaretur, ut ad extraneam personam transiret. Also der Erbauer der am Rhein oberhalb Mainz gelegenen Burg Weisenau war Kämmerer Dudo III., welcher sie zur Zeit Erzbischof Christians I. von dem Kaiser zu Lehen nahm. Als aber Erzbischof Konrad wieder von dem Erzbistum Mainz Besitz ergriff, wurde Weisenau erzbischöfliches Lehen und eben von dieser Zeit an mögen sich unseres Christians Brüder von ihrer Burg genannt haben. Dieselbe wurde übrigens schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts zerstört. Gudenus, C. d. I, 631 und II, 132.

[3] Emercho oder Emircho und Helfericus Jude werden schon mehrfach durch Helwich und Joannis (R. M. II, 374 und 488) nachgewiesen Zur Bestätigung des Helfericus Judeus miles Moguntinus verweise ich auf Baur, Hess. Urkk. I, 19, wo dominus Helfricus cognomento Judeus, miles Moguntinus in einer Urkunde des Propstes Christian von 1239 vorkommt. Der bei Joannis a. a. o. aufgeführte Emercho canonicus findet sich wieder bei Baur a. a. O. 104 in einer Urkunde des Erzbischofs Werner von Mainz von 1276 Juni 5:  ... dilecto in Christo Emirchoni dicto Judeo, canonico Mogintinensi. ‒ Noch in Urkunden der Jahre 1355 und 1362 findet sich ein »Helferich Jude, ritter«, bei Baur a. a. O. 426 und 444 und ist dieses Geschlecht im fünfzehnten Jahrhundert erloschen. ‒ Zahlreiche Glieder der Wormser Familie Jude treffen wir in Baur, Hess. Urkk. Bd. 2 und zwar einen Embricho schon im Jahr 1197.

[4] »Ego Dudo Camerarius« ist die noch ganz lesbare Inschrift des eiförmigen Siegels, »welches einen gestandenen Kriegsmann im Harnische, mit einem weiten über die Achseln geschlagenen Mantel, ein blankes zur Schulter aufgepflanztes Schwert in der rechten und ein kleines Kreuz in der linken Hand vorstellt.« Bär a. a. O. S. 28, Note K. und S. 51 flgde.

[5] In dem großen »Syllabus praelatorum ac canonicorum eccles. metropol. Mogunt.« (Joannis, Rerum Mogunt. II, 270 flgde) kommen als Träger dieses Namens nur die Erzbischöfe Christian I. und II. vor.

[6] Dahl im Archiv f. ä. d. G. II, 329 sagt, dass er »ums Jahr 1216 Domsänger wurde«und Reimer in Mon. Germ. SS. XXV, 236 nennt das Jahr 1216 bestimmt.

[7] Dahl a. a. O. sagt »im Jahr 1235 oder 1236«, Reimer a. a. O. »a fine anni 1235«. Da nur das Jahr 1236 bezeugt ist, so muss wohl dieses als der Anfang für die Propstwürde Christians festgehalten werden.

[8] Im Jahr 1244 Juni 30 urkundet C. dei gratia prepositus, C. decanus totumque capitulum maioris ecclesie maguntinensis für einen Mainzer Bürger.

[9] Die Gründe, weshalb Bischof Heinrich, ohne dass von irgendeiner Seite ein Hindernis bestand, den Empfang der bischöflichen Weihe von 1245 Oct. 27 bis 1260 März 31 hinausschob und die Zurechtweisung, welche Papst Alexander IV. wegen dieser Verschiebung dem Bischof zuteil werden ließ, erörtert Remling, Geschichte der Bischöfe zu Speyer. I, 492 flgde.

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Zitierhinweis:

BW, RggEbMz 34 Nr. 001a, in: Die Regesten der Mainzer Erzbischöfe, URI: http://www.ingrossaturbuecher.de/id/source/21670 (Zugriff am 25.04.2024)